Für Freunde des Worts, für intellektuelle Flaneure – und vor allem für Menschen, die keine Angst vor dem Abstrakten haben: Die Ausstellung „Die demokratische Schnecke“ betritt für die Münchner Villa Stuck Neuland. Nicht nur, weil sie online stattfindet. Das muss mittlerweile ja das gesamte Kulturleben. Sondern weil sie dissoziativ und assoziativ ist. Sie bietet keinen Halt und Überblick, will aber dennoch Verbundenheit suggerieren. In seiner seltsamen Verwirrtheit jedenfalls ist das demokratische Weichtier: einzigartig.
Ursprünglich wollten die Schriftstellerin Heike Geißler und die Gestalterin Anna Lena von Helldorff ihre Schnecke – sprich eine Sammlung von lesbaren und hörbaren Texten sowie Textfragmenten – nicht ins Netz stellen. Angedacht und konzipiert war die Ausstellung als Szenario, das der Besucher im alten Atelier Franz von Stucks erkunden konnte. Eine Landschaft aus Papier sollte entstehen. Und vielleicht wäre diese Landschaft etwas greifbarer geworden, nicht nur haptisch, sondern auch geistig. Die Texte sind zwar einfach, schweben nun aber einsam im Online-Raum. Dem hätte eine Landschaft etwas Konkretes, Dreidimensionales entgegensetzen können.
Umso mehr muss nun freilich das Wagnis der beiden Frauen, online zu gehen, gelobt werden. Demokratisch ist die Schnecke, weil all ihre Besucher frei durch die Ansammlung verschieden großer Rechtecke wandeln können. Mal hier klicken, mal dort klicken. Hier erscheint ein Text, dort erklingen Stimmen. Besonders schön ist der Effekt, erst ein sprechendes Feld zu aktivieren und kurz darauf ein weiteres. Das gibt eine hübsche Kakophonie und manchmal sogar einen wunderlichen Sinn. Verschneckt ist die Schnecke nur begrenzt. Denn während die Spirale eines Schneckenhauses ins Unendliche verweist, zeigt sich die Schau eher als Ansammlung von Kästchen. Allerdings gruppieren sich die Kästchen immer wieder um, es kommen neue hinzu, und so verweisen auch sie irgendwie ins Unendliche.
Im Untertitel soll die Schnecke „Ein großes Märchen“ sein. Klassisch Märchenhaftes allerdings liefert sie kaum. Manchmal beginnt sie eine kleine Erzählung, lässt sie aber bewusst im Vagen enden. Einzig das Märchen „Von der wütenden Prinzessin, die das Gold im Galopp verlor“ verdient das Attribut Geschichte. Der Rest spielt – so wie der Besucher mit den Kästchen – mit Texten, zieht sie ins Absurde und verändert ihren Sinn. Manches wird als Floskel entlarvt. Anderes entfaltet, obwohl eine Floskel, so ganz aus dem Zusammenhang gerissen, plötzlich einen Sinn.
Bis 22. April
online unter www.diedemokratischeschnecke.de.