An Video-Konferenzen haben wir uns in den vergangenen Wochen wohl alle gewöhnt. Sei es dienstlich oder mit Familie und Freunden. Und genau wie bei der zwischenmenschlichen Kommunikation bleibt auch beim Musikgenuss momentan meist nur der Weg ins Internet. Eines der ersten Opernhäuser, das im Zuge der Krise seine Saison vorzeitig beendete und auf das Streamen von Archivproduktionen umstieg, war die New Yorker Metropolitan Opera. Natürlich ist es schön, sich allabendlich eine hochkarätig besetzte, perfekt ausgesteuerte und filmisch aufbereitete Vorstellung aus besseren Zeiten (gratis) ins Wohnzimmer holen zu können. Doch sind wir uns ebenso einig, dass dies auf Dauer kein Ersatz für das viel aufregendere Live-Erlebnis sein kann.
Die Met wäre aber nicht die Met, wenn sie nicht doch einen Weg gefunden hätte, den Nervenkitzel eines Theaterabends (kleine Pannen inklusive) auf andere Weise heraufzubeschwören. Mit einer großen „Gala at Home“, bei der am Wochenende mehr als vierzig Publikumslieblinge Solidarität mit „ihrer Met-Familie“ bewiesen. Wobei Intendant Peter Gelb sich der Ironie durchaus bewusst war, dass ausgerechnet sein Haus als Vorreiter für HD-Übertragungen diesmal eher im Lowtech-Bereich unterwegs war – Liveschaltungen in 13 Länder, wobei man sich angesichts der schwankenden Bild- und Tonqualität teilweise in die gute alte Schellack-Zeit versetzt fühlte. Doch für alle, die aktuell mit ihrem Internet-anbieter hadern, dürfte es ein kleiner Trost sein, dass selbst die A-Liga des Opernbetriebs nicht immer über ausreichendes Datenvolumen verfügt.
Den Spaß ließ sich davon trotzdem keiner nehmen. Weder Peter Mattei, der in Stockholm bei Don Giovannis Ständchen vom Nachbarn auf dem Akkordeon begleitet wurde, noch das Ehepaar Alagna-Kurzak, in dessen Wohnzimmer eine überdrehte Variante von Donizettis „Liebestrank“ über die improvisierte Bühne ging. Nett übrigens, dass die Ankündigung des nächsten Stars meist den Beteiligten selbst überlassen blieb. Denn mehr als einer von ihnen schien hier das virtuelle Publikum zu vergessen und nutzte die Staffelübergabe für einen kleinen privaten Plausch. Etwa Jonas Kaufmann, der nach dem Tenorschlager aus „La Juive“ mit Marco Armiliato und Ambrogio Maestri ins Gespräch kam. Oder Diana Damrau, deren ins Bild drängender Nachwuchs wohl nicht nur beim bereits in den Startlöchern stehenden Lawrence Brownlee in Florida für einen Lachanfall sorgte.
Selbst wenn manche dem Beispiel von Sonya Yoncheva folgten, die sich vor dem heimischen Kamin in großer Divenpose inszenierte, ließen es viele Stars lieber etwas menscheln. Unter anderem Stephen Costello, der die Frau seines Lebens im Met-Orchester gefunden hatte und nun bei der gefühlvollen „Faust“-Arie von ihr auf der Geige begleitet wurde. Oder das Paar Nicole Car und Etienne Dupuis, die thematisch passend ein Duett aus „Thais“ gewählt hatten, in dem vom Waschen der Hände gesungen wurde. Nicht zu vergessen Erin Morley, die sich selbst schwungvoll am Klavier begleitete und ihre Bravour-Arie aus „La fille du régiment“ als Hymne auf die Met umdichtete.
Viel zu lachen also, aber auch bewegende Momente, wie eine von Generalmusikdirektor Yannick Nézet-Séguin im Splitscreen dirigierte Einlage des Orchesters der Metropolitan Opera, das damit an einen an Corona verstorbenen Kollegen erinnerte. Dass nach mehr als vier Stunden Anna Netrebko das letzte Wort hatte, versteht sich allein schon aus Gründen der Vermarktung. Schade allerdings, dass die Diva, ebenso wie ihr tenorales Anhängsel, keinen Blick ins Wiener Eigenheim gewährte, sondern nur mit einem vorab unter Studiobedingungen realisierten Einspieler präsent war. Technisch glasklar, aber gerade deshalb irgendwie ein Fremdkörper in diesem sonst so sympathisch improvisierten Programm.