Man kennt das Phänomen von verstorbenen Popstars wie Prince oder George Michael. Wenn die Welt um einen großen Künstler trauert, dann dauert es nicht mehr lange – und aus den Archiven tauchen bisher unbekannte Werke auf. Das soll nun auch bei Comics funktionieren. Denn nur einen Monat nach dem Tod des großen Zeichners und „Asterix“-Papas Albert Uderzo haben die Verlage Les Éditions Albert René und Egmont Ehapa gestern bekannt gegeben, dass am 21. Oktober das neue/alte „Asterix“-Album „Der goldene Hinkelstein“ erscheint.
Das Besondere daran: Die Geschichte stammt aus dem gemeinsamen Nachlass von Uderzo und seines bereits 1977 verstorbenen Texters René Goscinny. Das Material aus dem Jahr 1967, also aus der absoluten Blütezeit der französischen Comic-Genies, könnte tatsächlich so exzellent sein, dass sich „Asterix“-Fans auf einen „verschollenen Schatz“ freuen können, wie die Verlage versprechen. Das Abenteuer ist damals ausschließlich auf Französisch als Hörspiel auf Schallplatte erschienen, mit einem Begleitheft. Danach geriet es weitgehend in Vergessenheit.
Held des Albums ist – endlich einmal! – der schiefstimmige Barde Troubadix. Er hat genug davon, von den Kunstbanausen seines Dorfes verkannt zu werden. Der mitteltalentierte Sänger will groß rauskommen und reist dafür zum legendären Gesangswettbewerb im Karnutenwald, einem frühen Mix aus ESC und „The Voice of Gallien“. Asterix und Obelix befürchten, dass die Römer Troubadix auf seiner langen Reise entführen könnten, und begleiten ihren Dorfbarden deshalb. Obelix ist an dem Wettbewerb außerdem auch beruflich interessiert, denn Hauptpreis ist ein goldener Hinkelstein. Der Barde ist unter einer Bedingung mit der Leibgarde einverstanden: dass er beim abschließenden Bankett – endlich einmal! – singen darf, ohne von Schmied Automatix gefesselt zu werden.
Diese vielversprechende Handlung haben Goscinny und Uderzo mit vielen Anspielungen auf die damalige französische Popmusik gewürzt. Chansonnier Charles Trenet singt statt seines Klassikers „Ménilmontant“ über den „Menhir montant“, über den „Stehenden Hinkelstein“. Und bei Kollege Claude François wird aus „Si j’avais un marteau“ („Wenn ich einen Hammer hätte“) natürlich „Si j’avais un menhir“: „Ach hätt’ ich nur einen Hinkelstein.“ Wie schräg das klingt, erfahren wir ebenfalls im Oktober im dazugehörigen Hörbuch.
Im Jahr 1967, zwischen dem „Legionär“ und dem „Arvernerschild“, sprudelten bei den „Asterix“-Schöpfern wohl zu viele noch bessere Ideen, um aus dem „Goldenen Hinkelstein“ einen regulären Band zu machen. Doch nun erlebt die Geschichte eine späte Karriere. Das Projekt begann bereits Ende 2019, also noch vor Uderzos Tod. Sein Team hat die Zeichnungen, die damals entstanden sind, aus dem Begleitheft aufwendig gesäubert und restauriert. Der Meister selbst hat die Arbeiten in seinen letzten Lebensmona-ten überwacht und am Coverbild mitgewirkt. So entsteht als letztes gemeinsames Werk von Goscinny und Uderzo nun postum ein 48-Seiten-Band, vergleichbar mit „Wie Obelix als kleines Kind in den Zaubertrank geplumpst ist“ von 1989 oder „Das Geheimnis des Zaubertranks“ von 2018. Und das ist beinahe so spannend, als würde jetzt nochmals ein bisher unbekanntes Lied von John Lennon und Paul McCartney auftauchen.