Herkules-Aufgabe

von Redaktion

Wie Museen in Corona-Zeiten dem Publikum den Weg zu Kunst öffnen wollen

VON SIMONE DATTENBERGER

Wie sieht der Stand zur Besuchersicherheit in den Museen aus? Offiziell sind sie bis zum 3. Mai geschlossen. Was dann? Entscheiden die Ministerpräsidenten am Donnerstag über eine Lockerung? Welche Ideen, Konzepte, individuellen Anforderungen für die Häuser gibt es? Besucher, die auf Kunst-Entzug sind, wollen das wissen. Und die Informationen dazu wären ein Hoffnungsschimmer. Schließlich erwartet jeder, dass die staatlichen, kommunalen und privaten Museen in Bayern wohl nicht am 4. Mai, aber doch im Laufe des Monats wieder zugänglich sein werden.

Nun ist verständlich, dass alle möglichst einheitlich vorgehen möchten und ungern über „ungelegte Eier“ sprechen. Allerdings trägt die Haltung des Immer-nur-Schweigens zur Verunsicherung bei. Geschieht hinter den Kulissen überhaupt etwas? Kunst muss Mut machen. Und das müssten auch ihre Stellvertreter, ob als schöpferische Persönlichkeit, ob als Museumsbeamter, ob als Kunstminister oder als Kulturreferent, offensiver anpacken. Warum äußern sich Bühnenintendanten,  aber einige Museumschefs kaum? Gibt es für den öffentlichen Dienst, etwa von Lenbachhaus, NS-Dokumentationszentrum oder Stadtmuseum, einen Maulkorberlass? Wozu?

Die einzelnen Häuser sind doch inhaltlich und baulich unterschiedlich. In der Alten Pinakothek gibt es weite Säle und intime Kabinette. Der Kunstbau ist riesig, das Lenbachhaus selbst kleinteilig. Im Haus der Kunst kann man mit Besucherlenkung ganz anders umgehen als zum Beispiel in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung.

Dort hat man das Sicherheitskonzept längst fertig. Deren  Chef Roger Diederen darf freimütig sprechen. Er freut sich darauf, die Schau zu Thierry Muglers Mode endlich präsentieren zu dürfen: „Es ist alles fertig, die Podeste stehen, die Special-Effects funktionieren, nur die Mode selbst packen wir ganz bewusst zuletzt aus.“ Schließlich will man die Materialien vor Licht und Staub schützen. Der Schutz der Besucher, des Kassen- und Aufsichtspersonals ist durchgeplant. „Schutzscheiben, Besucher-Regulierung, das haben wir alles vorbereitet. Daran soll es nicht scheitern. Wir warten nur auf grünes Licht.“

Solche Aussagen lassen die städtischen Museumsleiter schlecht aussehen: als würden sie nichts vorbereitet haben für den Tag X. Im Gegensatz dazu ist Daniel J. Schreiber vom architektonisch komplizierten Buchheim Museum Bernried weiter. Ein Arbeitsmediziner habe das Haus beraten, und ein Mitarbeiter das spezifische Konzept ausgearbeitet. „Beim Einlass wird reduziert, sodass jeder circa zehn Quadratmeter Platz hat. Die Türen gehen nur in eine Richtung auf. Personal zählt die Besucher ab. Ein lineares Konzept ist bei uns nicht möglich, deswegen werden wohl Teile des Hauses geschlossen.“ Große Trauer bei Schreiber wegen der ausgefallenen Schau über „Brücke“-Gemälde und ihre künstlerischen Rahmen. Drei Jahre Arbeit umsonst mit der Folge eines „finanziellen Desasters“. Immerhin dürfen sich die Besucher auf das kommende Programm freuen. Die Schau zur Expressionismus-Sammlung Hierlinger werde vorgezogen; Beckmann und die „Brücke“ kämen Mitte Juli heraus.

Konkret wird auch Elena Heitsch, die Sprecherin des Münchner Hauses der Kunst. Sie zitiert einen Anästhesisten, nach dem es viel leichter sei jemanden zu betäuben, als ihn wieder aufzuwecken. Die Ausstellungshalle werde Aus- und Eingänge trennen, der Besucherparcours mit Probedurchläufen gründlich getestet, das Personal geschult, die Preisstruktur geändert, „damit niemand nach Kleingeld kramen muss“. Hinweisschilder gebe es sowieso. „Sehr schwierig sind die Verhandlungen mit den Leihgebern, denn dazu müssen wir verbindliche Daten wissen. Dann erst veröffentlichen wir ein Info-Gesamtpaket.“ Die große Ausstellung zum Schaffen Franz Erhard Walthers werde verlängert.

Direkt nach dem „Maulkorb“ gefragt, erläutert Jennifer Becker vom Münchner Kulturreferat, dass man sich weiterhin für „eine zentrale und abgestimmte Kommunikation“ entschieden habe – „und zwar immer dann, wenn es Fakten mitzuteilen gibt, weil nur so eine klare Information der Öffentlichkeit möglich ist“. Von unserer Zeitung wurde nach Fakten gefragt. Die Antwort des Kulturreferats ist eine Ausrede. Einzige Informationen – zum Teil alte – sind, dass man Hygienekonzepte erstelle zusammen mit dem Kreisverwaltungsreferat und dem Referat für Gesundheit und Umwelt. „Die Museen stützen sich bei ihren Überlegungen unter anderem auf die Empfehlungen des Deutschen Museumsbunds“, so Becker. Zum besseren Verständnis des Publikums wolle man möglichst einheitliche Regelungen kommunizieren. Dass es demokratisch und beruhigend transparent wäre, genau dieses Publikum an den Überlegungen teilhaben zu lassen, scheinen manche in Politik und Verwaltung vergessen zu haben. Der  Vorwurf   der „Spekulationen“ ist vorgeschoben. Was ist falsch, praktische Ideen, die sich mit Problemen und Möglichkeiten eines Ausstellungsbesuchs in Pandemie-Zeiten beschäftigen, zu erörtern? Die sind doch keine nachrichtendienstliche Geheimsache.

Kunstminister Bernd Sibler engagiert sich mehr für die Kunst als Kulturreferent Anton Biebl. Sibler betont erneut: „Ich werde mich als Vorsitzender der Kulturministerkonferenz und als bayerischer Kunstminister für eine Öffnung der Museen unter strengen Hygiene- und Schutzmaßnahmen einsetzen, die Besucherzahl ließe sich hier wohl gut kontrollieren, die Besucherführung gut organisieren. Denn: Kunst und Kultur können gerade in diesen schwierigen Zeiten eine sinnstiftende und verbindende Funktion einnehmen.“

In diesem Sinne erklärt Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, dass Sicherheit „oberstes Gebot“ sei. „Mögliche Maßnahmen werden zurzeit vorbereitet, auch muss externes Aufsichtspersonal mit Vorlauf bestellt werden. Daneben entwickelt die Kunstvermittlung Konzepte über Kunst(-vermittlung) nach der Krise.“ Da spricht Maaz einen hochwichtigen Punkt an, denn gerade die Vermittlungsarbeit für Jung und Alt ist gesellschaftlich brisant. Kunst ist einer der Kernpunkte unserer persönlichen und sozialen Identität. Aber auch das Erlebnis, das Gefühl ist dem Chef der Pinakotheken wichtig: „Wir wünschen uns, Besucherinnen und Besucher aus München und aus Bayern und schließlich auch aus der ganzen Welt wieder in den Pinakotheken begrüßen zu dürfen. Wir freuen uns, wenn die Museen wieder offen sind, auf die beglückten Besucherinnen und Besucher, auf ihre Wiederbegegnungen mit Altvertrautem, das man neu sehen kann und wird. Wir wünschen allen Umsicht, Gelassenheit, Gesundheit.“ Für ihn sei diese „Herkules-Aufgabe der ganzen Gesellschaft“ eine gemeinschaftliche Einübung, ein anderes globales Problem zu lösen: den Klimawandel.

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