Endlich Originale

von Redaktion

Die Kunstgalerien haben wieder offen

VON ALEXANDER ALTMANN

Wer angesichts geschlossener Museen an Entzugserscheinungen leidet, für den gibt es jetzt endlich erste Gelegenheiten, den ästhetischen Hunger zu stillen. Ab sofort haben die Kunstgalerien wieder geöffnet. Mit drangvoller Enge ist kaum zu rechnen, trotzdem weisen die Galerien darauf hin, dass eine Anmeldung des Besuchs zwar nicht zwingend ist, aber zumindest vorteilhaft wäre, um Wartezeiten zu vermeiden. Wir haben für Sie eine Auswahl interessanter Ausstellungen in München zusammengestellt.

Keinen Geringeren als Goethe bemüht die Galerie Fenna Wehlau (Amalienstr. 24) für den Titel ihrer Ausstellung: „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn“ heißt die großartige Schau mit Holzskulpturen von Stefan Wurmer (3200 bis 18 000 Euro) und Fotografien von Bruno Augsburger (2200 bis 5400 Euro). Wer hier glaubt, er steht im Wald, liegt doppelt richtig. Zum einen, weil dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit in der aktuellen Situation sicher nicht ungewöhnlich ist, zum anderen natürlich auch, weil die gezeigten Werke solche Assoziationen auslösen.

An verwunschene Zauberwälder erinnern die Szenerien auf Augsburgers Fotos, die etwa kreuz und quer wachsende Stämme mit langen Moosbärten zeigen, ein fast märchenhaftes Dickicht, von dem man kaum glauben kann, dass es nicht nur in unserer Fantasie, sondern wirklich existiert. Gleichwohl sind es keine heimeligen Idyllen, sondern man spürt das latent Unheimliche, das in der wuchernden Natur auch steckt und das der Fotograf zu bannen sucht, indem er gestaltlos dräuenden Eindrücken Halt in der Komposition gibt. Ähnlich verhält es sich mit Wurmers Arbeiten, die buchstäblich auch „vom Woid dahoam“ sind: aus massiven Baumstamm-Trümmern erschafft der Niederbayer mit der Kettensäge luftig-poröse Gebilde oder ausgehöhlte Kugeln, Zylinder, Quader. Gerade durch die verfremdende Wirkung der (Hohl-)Form wird die Materialität des Holzes dingfest gemacht in ihrer Ambivalenz aus massiger Schwere und organischer Lebendigkeit. (Bis 25. Juli; Di.-Fr. 13-18 Uhr, Sa. 13-16 Uhr.)

Holz in Gestalt von Ästen verwendet auch Jessica Buhlmann für ihre Groß-Mobiles, die nebst Gemälden in der Galerie Nicole Gnesa zu sehen sind (Kolosseumstr. 6). Die Verbindung roher Naturprodukte mit der Künstlichkeit monochromer Farbtäfelchen, die ebenfalls im Mobile baumeln, sorgt – naturgemäß – für reizvolle Spannung. Zwischen 1400 und 12 800 Euro kosten die Arbeiten der jungen Berliner Künstlerin.

Eine irritierende Mischung aus Grusel und Appetitlichkeit rufen die faszinierenden Keramikobjekte von Mira Makai hervor (450 bis 3500 Euro). Die bunten Röhren-, Schlingen- und Rillen-Verklumpungen der Ungarin erinnern einerseits an Gekröse, andererseits haben sie etwas Fruchtig-Vegetabiles. Glücklicherweise wird dieser unwiderstehlich schwindelerregende Sog der inhaltlichen Assoziationen durch die spröde Anmut der Arbeiten formal abgefangen. Zu erleben ist dieser ästhetische Bungee-Sprung in der Galerie Susan Boutwell, Theresienstraße 48. (Bis 16. Mai; Mi.-Fr. 12-18 Uhr, Sa. 12-15 Uhr.)

Ebenfalls durch ihre Befremdlichkeit faszinieren die Arbeiten von Lev Khesin in der Galerie Smudajeschek (Schwindstr. 3). Der in Berlin lebende Russe mischt Pigmente in Silikon und formt es zu Wandobjekten von betörender Farbintensität (1600 bis 11 200 Euro). Indem diese zwischen Gemälde und Plastik changierenden Werke an den Rändern amorph ausfransen, beschwören sie eine Art bildnerische „Unschärferelation“ und drängen in ergreifender Weise auf Entgrenzung. (Bis 23. Mai; Do./Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-16 Uhr.)

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