Fahrpläne gibt es woanders. Im Einzelhandel, bei der Bundesliga oder bei den Grenzöffnungen. Die Kulturszene jedoch muss weiter auf Details warten. Was sich allerdings abzeichnet: Nach Pfingsten könnte sich in den Theatern, Konzertsälen und Kinos etwas tun, das wurde gestern auf der Pressekonferenz von Ministerpräsident Markus Söder, Digitalministerin Judith Gerlach und Kunstminister Bernd Sibler deutlich. Dies mit den entsprechenden Hygiene- und Abstandskonzepten – „das Modell der Kirchen“, so Söder, könne hier als Beispiel dienen.
Eine genauere Entscheidung dazu fällt am 20. Mai nach der Konferenz der Ministerpräsidenten und Kulturminister. Auch wenn beim Hochfahren der Theater einige vorpreschen wie etwa die Wiesbadener (wir berichteten), ist man offenbar um eine bundesweite Einheitlichkeit bemüht. Vor allem im Falle der Lichtspielhäuser, wie Judith Gerlach sagte: „Die Kinos brauchen attraktive Filme und einheitliche Starts.“ Obgleich es noch in dieser, jetzt schon lädierten Spielzeit noch zu Aufführungen und Konzerten kommt, so könne es sich lediglich um Kleinformatiges handeln, wie Söder betonte, der zu „innovativsten Konzepten“ aufrief.
Die drei Münchner Staatstheater begegnen dieser Situation mit jeweils eigenen Lösungen. So wurde gestern bekannt, dass die Bayerische Staatsoper ihre Theaterferien vorzieht, diese am 1. Juli beginnt und schon am 14. August mit der Vorbereitung auf die nächste Saison startet – wobei für einen Teil der Belegschaft (auch aufgrund schon getroffener Urlaubsregelungen) anderes gilt. Erste Vorstellungen seien ab 1. September denkbar, wie Pressesprecher Christoph Koch auf Anfrage mitteilte. Die Premiere von „7 Deaths of Maria Callas“ von und mit Marina Abramović könnte dann nachgeholt werden.
Eine solche Vorverlegung wird es am Gärtnerplatz nicht geben. Wohl aber sind nach Pfingsten laut Theatersprecher Roman Staudt „kleinere Module“ geplant. Ähnliches schwebt Andreas Beck, Intendant des Residenztheaters vor: „Wir schleichen uns langsam in den Spielbetrieb hinein.“ Beck denkt an kleinere Produktionen oder an die Aktion „Resi liest“, die man in der Kassenhalle stattfinden lassen könnte. Zudem sei eine Art Führung durchs Haus vorstellbar, an die man theatrale Elemente knüpft. Außerdem liebäugelt Beck, gern in Kooperation mit den anderen Theatern, mit einem Open Air auf dem Marstallplatz.
Wesentlich konkreter wurden die politisch Verantwortlichen bei den finanziellen Hilfen. Der „kulturelle Rettungsschirm“ (Söder) wird von 90 auf 200 Millionen Euro vergrößert. Darunter fallen einige Maßnahmen: Das monatliche Grundgehalt von 1000 Euro, das der Freistaat für drei Monate zahlt, wird auch auf Künstler ausgeweitet, die nicht in der Künstlersozialkasse sind – und auf freie Journalisten. Für 700 kleinere und mittlere Theater sowie 260 Kinos werden bis Ende des Jahres 50 Millionen Euro bereitgestellt. Laienmusik, Sing- und Musikschulen können ebenfalls auf Unterstützung hoffen. Und Projekte, für die der Freistaat eine Finanzspritze zugesagt hat, bekommen diese nun in jedem Fall, also auch bei Corona-bedingter Absage.
Freischaffende Sänger und Schauspieler fallen bei Corona-Absagen nicht durchs Raster. Nach wochenlangem Tauziehen um eine Regelung und nach einer Hinhaltetaktik der Ministerien erhalten sie in Bayern tatsächlich Ausfallhonorare. Bis 1000 Euro Gage gibt es 60 Prozent, darüber 40 Prozent, wobei die Summe auf 2500 Euro gedeckelt wird. Eine Lösung, die sogar auch für Angehörige anderer Sparten wie Maske und Technik gilt.
Der Opernsänger Franz Hawlata wertete dies unserer Zeitung gegenüber als „einen ersten Anfang“. Im Vergleich zur möglichen Kurzarbeit von Festangestellten sei dies „kein Äquivalent“. Hawlata und viele andere Kollegen kämpfen um eine Ausfall-Lösung, die sich auch für Einzelgagen am Kurzarbeitergeld von 60 bis 67 Prozent orientiert – dies mit gutem Grund: Immer mehr kristallisiert sich heraus, dass Freischaffende als Kurzzeit-Angestellte zu betrachten sind und daher bei Corona-Absagen nicht mit dem Verweis auf „höhere Gewalt“ abgespeist werden können. Offenbar fährt der Freistaat hier doppelgleisig. Angeblich soll es – neben der gestern verkündeten Ausfallregelung – in der kommenden Woche Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi über mögliche Kurzarbeiter-Zahlungen geben.
Ministerpräsident Söder, der in den vergangenen Wochen wegen seines Schweigens zur Kultur hart kritisiert wurde, war gestern bemüht, die Seele der Szene zu streicheln. „Wir leben mit und von der Kultur in Bayern stärker als viele andere.“ Einen normalen Theater-, Kino- und Konzertbetrieb könne es aber derzeit nicht geben. Das Gros werde erst im Herbst folgen. Oder, wie Söder es formulierte: „Rockkonzerte sind eher in späteren Zeitachsen möglich als ,Don Carlos‘“ – wobei dem Kabinettschef die Massenszenen in der Verdi-Oper entgangen sein könnten.
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