Zwischen Schubert und Cole Porter

von Redaktion

INTERVIEW Jasmin Tabatabai über ihr neues Album und die Liebe zu Deutschland und dem Iran

Als Schauspielerin ist es Jasmin Tabatabai („Bandits“, „Vier Minuten“, „Amelie rennt“) gewohnt, in unterschiedliche Rollen einzutauchen. Als Sängerin zeigt die deutsch-iranische Künstlerin eine ähnliche Vielseitigkeit. Auch wenn sich die Musik stets zwischen Jazz und Chanson bewegt, ist ihr Gesang auf dem neuen Album „Jagd auf Rehe“ (Kritik siehe Seite 15) mal kühl lasziv, mal zerbrechlich, mal belustigt oder von herzzerreißender Sehnsucht. Neben einer Eigenkomposition interpretiert Tabatabai Lieder von Nick Drake, Reinhard Mey, Franz Schubert und vor allem von Cole Porter. Wir sprachen mit der Künstlerin, die 1967 in Teheran geboren wurde, über ihre Musik.

Woher kommt Ihre Liebe zu Cole Porter?

Das sind einfach fantastische Lieder. Und das ist ein Liedgut, das gepflegt gehört. Wir haben dafür die Übersetzungen benutzt, die für Hildegard Knef entstanden. Sie hat ja ein ganzes Album mit Liedern von Porter eingesungen.

Sie werden oft mit der Knef verglichen. Ist das ärgerlich, oder freuen Sie sich darüber?

Warum sollte das ärgerlich sein? Es wurde vor allem die Herangehensweise bei der Interpretation verglichen. Es geht nicht darum, sich virtuos dem Lied zu nähern, etwa mit einer fünf Oktaven umspannenden Stimme, sondern um das Einbringen der Persönlichkeit. Es wäre ohnehin Unsinn, die Diktion von Hildegard Knef kopieren zu wollen. Ebenso kann man auch ein Lied von Reinhard Mey nicht singen, wie er es tut.

Sie interpretieren auf dem neuen Album fast ausschließlich fremde Stücke.

Ich liebe es, fremde Lieder zu covern. Vielleicht liegt das daran, dass ich Schauspielerin bin. Wir sprechen ja ohnehin immer fremde Texte und versuchen, uns diese anzueignen. Fürs Komponieren brauche ich viel Zeit und auch ein wenig Einsamkeit. Mit drei Kindern im Haushalt ist das derzeit nicht so einfach.

Ein ungewöhnliches Cover ist „Ständchen“ von Franz Schubert.

Das war eine Idee von David Klein (Schweizer Komponist; Anm. d. Red.). Ich meinte, ich könne doch kein Kunstlied singen. Aber er hat insistiert und gesagt, dass ich es schaffe, es auf meine Art zu interpretieren. Und es war die richtige Entscheidung. Das Lied gibt gleich am Anfang vor, wohin die Reise auf dem Album geht.

Sie interpretieren auch das iranische Lied „Shekare Ahoo“. Erreichen Sie eine besondere Tiefe, wenn Sie Persisch singen?

Das weiß ich selbst nicht so genau. Das empfindet jeder ein wenig anders. Auf jeden Fall öffnet die iranische Sprache noch einmal eine andere Tür in mir. Das passiert einfach, das kann ich nicht steuern. Da spielt natürlich die Sehnsucht nach dem Land und den Menschen mit. Ich war schon sehr lange nicht mehr dort. Ich gehöre zu den iranischen Künstlern in der Diaspora, die sich kritisch geäußert haben – da ist eine Reise in den Iran keine Option.

Übersetzt heißt der Song „Jagd auf Rehe“ – das ist auch der Albumtitel.

Das ist ein Volkslied, ein Liebeslied, das eigentlich jeder im Iran kennt. Aber wie so oft in persischen Liedern wird nicht immer explizit ausgesprochen, worum es geht.

Sie haben die deutsche und die iranische Staatsbürgerschaft.

Man kann die iranische gar nicht ablegen. Aber selbst wenn man könnte, würde ich es nicht tun. Ich fühle mich dem Land verbunden. Beiden Ländern, Iran und Deutschland. Sich zu entscheiden, wäre, wie wenn man ein Kind fragt, ob es mehr die Mutter oder den Vater liebt. Viele verstehen es nicht und vergleichen es tatsächlich mit Fußball: Da müsse man sich ja entscheiden können, für welche Nationalmannschaft das Herz schlage. Aber ich finde, man kann auch zwei Teams die Daumen drücken. Das ist schon interessant: Auf der einen Seite haben wir die Globalisierung in allen Bereichen, auf der anderen Seite darfst du nur einen lieben.

Viele Künstler haben wegen Corona die Veröffentlichung ihrer Alben verschoben …

Wir fanden es aber wichtig, gerade jetzt weiterzumachen. Schade ist nur, dass wir die neuen Stücke jetzt nicht live vorstellen können. Aber wir holen das nach.

Das Gespräch führte Antonio Seidemann.

Jasmin Tabatabai:

„Jagd auf Rehe“

(Galileo Music).

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