„Wir für die Musik“ – Mit diesem via Fernsehen, Rundfunk und Internet gebotenen Konzert hat der BR nicht nur eine distanzierte Form der Teilhabe erprobt, sondern auch seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag Ehre gemacht und in Solidarität mit freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern Spenden gesammelt. Das dreistündige Programm unter Howard Arman war ein bunter Strauß an Melodien mit Blüten von der Renaissance bis zur Gegenwart aus geistlicher und weltlicher Musik, dargeboten vom Rundfunkorchester sowie von Gruppierungen aus Reihen des BR-Chors.
Im ersten Block lag der Fokus auf barocker Musik, darunter zweimal Georg Friedrich Händel mit Sopranistin Regula Mühlemann, die im Interview mit Maximilian Maier (auch Mitarbeiter unserer Zeitung, Anm. d. Red.) außerdem über ihren Corona-Alltag berichtete. Zwar fehlen vor dem Bildschirm Aura und Atmosphäre, dafür ist das Publikum durch die intim positionierten Kameras mittendrin, statt nur dabei. Übertragen wurde aus dem Funkhaus in München sowie der Klosterkirche Waldsassen, wo das Ensemble VirCanto geistlichen A-cappella-Gesang bot. Beim anschließenden Sprung ins Funkhaus verschaffte das Rundfunkorchester mit Arvo Pärts „Festina lente“ für Streicher und Harfe dem 20. Jahrhundert Gehör. Die neue Einfachheit in ihrer schlichten Schönheit ist wohltuend in dieser komplexen Zeit. Allerdings hätte auch die Neue Musik im strengeren Sinne einen Startplatz im Aufgebot verdient.
Erfrischend waren die jazzigen Chanson-Standards „Mister Sandmann“ und „Over the Rainbow“ von Sängerinnen des BR-Chors, und selbst Luis Bacalovs Filmmusik zu „Il postino“ wäre eine willkommene Abwechslung, hätten doch die Programmmacher die Spartensprengung konsequent verfolgt.
So zog sich das Programm. Darüber halfen weder Armans hübsches Arrangement von Brahms’ „Ungarischem Tanz“ Nr. 5 noch das engagierte Spiel der Streicher hinweg. Irgendwann drängte sich der Gedanke auf „Es ist genug“ – und wäre also mit dieser wundervollen Kantate Bachs in der Interpretation von Christian Gerhaher ein perfekter Schlusspunkt erreicht gewesen. Nichts gegen Lisa Batiashvilis brillante Vorstellung in Tschaikowskys Streichsextett „Souvenir de Florence“, aber der entgrenzte Musikgenuss führt mit seinen Ablenkungspotenzialen zu geteilter Aufmerksamkeit. Diese braucht es bei Radio, TV und Streaming ebenso wie bei Live-Konzerten.