Kyle Harper ist Professor für Altertumswissenschaften an der University of Oklahoma. Sein Buch „Fatum. Das Klima und der Untergang des römischen Reichs“ verfolgt einen neuen Ansatz der Geschichtsbetrachtung. Er stützt sich neben der Untersuchung schriftlicher Quellen und archäologischer Ausgrabungen auf Methoden, die einer breiteren Öffentlichkeit erst in den vergangenen 30 Jahren bekannt wurden: Baumring-Datierung, Eisbohrkern-Forschung, Gletscher-Analysen, Knochenmessung oder Sonnenzyklen-Betrachtung.
Damit liegt ein Hauptaugenmerk der kenntnisreichen Darstellung und Interpretation über Aufstieg und Fall des römischen Reichs auf den Naturwissenschaften: Roms Erfolgsgeschichte und sein Scheitern wird – man lese und staune – unabhängig von der menschlichen Leistung zum Exempel für die Auswirkungen des antiken Klimawandels und der Pandemien. Aktueller geht’s kaum.
Harper beginnt mit dem „Klimaoptimum“ (200 v. Chr. bis 150 n. Chr.), dem warmen, feuchten Mittelmeerklima, das Roms demografisches und wirtschaftliches Wachstum begünstigt. Die Tiber-Überschwemmungen sorgten für eine fruchtbare Landwirtschaft, aber auch für zahlreiche Malaria-Tote. Mit politischen Ereignissen wie den verlorenen Schlachten gegen Hannibal oder dem Cäsaren-Wahn hält sich Harper nicht auf, er steigt sofort in die Zeit der Adoptivkaiser ein: Politische Geschichte interessiert nur am Rande, es geht vielmehr um Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, Ernährungsfragen und Hygiene.
Unter Kaiser Mark Aurel kommt die „Rache Apollos“ für die Eroberung der Stadt Seleukia und die Zerstörung seines Tempels: die Antoninische Pest (165 n. Chr.), eine Pocken-Pandemie, die Mark Aurels Mitkaiser Lucius Verus das Leben kostet und im Folgejahr im römischen Weltreich die Lebensmittelpreise auf das Doppelte steigen lässt.
Nach Harpers Analyse ist das bereits der erste Schritt zum Verfall des Imperiums, zumal es sieben Jahre nach der ersten Welle einen zweiten Pest-Schub gibt. Seither ketten sich Krankheitsausbrüche aneinander, die verschiedene, nicht wirklich wirksame Verwaltungsreformen erfordern, bis die Cyprianische Pest (249-262 n. Chr.) schließlich die Römer für die neue Ein-Gott-Religion des Christentums empfänglich macht: Die zuvor angeflehten vielen Götter halfen gegen die Krankheiten nicht.
Doch auch der Austausch des religiösen Systems nützt nichts gegen Seuchen. Es folgen weitere Wellen bis in die 700er-Jahre. Außerdem kommt es im Osten zu einer kleinen Eiszeit, die mit großer Trockenheit einhergeht, ganze Ernten ausfallen lässt und die Völkerwanderung der Hunnen und Germanen auslöst. Sie macht dem Riesenreich den Garaus. Harpers Darstellung liest sich trotz ihrer Gelehrsamkeit leicht und schnell, zumal alles sperrige Zusatzwissen in den über 100 Seiten langen Anhang verbannt wurde. Sie bietet eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte des römischen Reichs, die man lange suchen musste; ihr fehlt aber die politische und militärische Geschichte, die alle anderen Darstellungen bieten.
Kyle Harper:
„Fatum“. Aus dem Englischen von Anna und Wolf Heinrich Leube. C. H. Beck, München, 567 S.; 32 Euro.