Eine Frau huscht in tropfnasser Kleidung auf die Toiletten von McDonald’s, um sich umzuziehen – das könnte der Beginn eines vogelwilden Comedyprogramms sein. Oder der eines Castings für eine Mitgliedschaft im wohl begehrtesten Kabarett-Ensemble der Stadt.
Ein Regentag im März 2020, kurz vor dem Lockdown. Welch ein Glück, dass das Vorsprechen in der Lach- und Schießgesellschaft noch stattfinden durfte. Und dass Christl Sittenauer sich von Wind und Wetter nicht abhalten ließ, zur Münchner Freiheit zu radeln. „Ich kenne ja die Räume der Lach- und Schieß und weiß, dass man direkt im Zentrum steht. Drum bin ich vorher fix bei McDonald’s rein, um die nassen Kleider zu wechseln. Wäre gar nicht nötig gewesen – sie hätten eine Garderobe für mich gehabt. Aber man ist ja doch aufgeregt und ehrfürchtig bei so einer Institution“, erinnert sich Sittenauer lachend.
Zwei Wochen später dann der ersehnte und gleichzeitig gefürchtete Anruf bei ihr. Hat’s geklappt? Ja, es hat. Die 38-Jährige wurde ausgewählt als eins der drei neuen Ensemblemitglieder des Hauses an der Ursulastraße 9. Das Haus also, an dem die vielfach talentierte Komödiantin, die beispielsweise beim fastfood theater als Improvisateurin begeistert, schon so oft vorbeigeradelt ist. Und sich, wann immer sie das orangefarbene Schild und die Aushänge mit Fotos von Stars wie Dieter Hildebrandt oder Bruno Jonas sah, dachte: „Dort engagiert zu sein, das wär’s!“
Nein, das ist’s! Für sie und ihre beiden Mitstreiter: Sebastian Fritz und Frank Klötgen. Wie die Lach- und Schießgesellschaft nun mitteilte, bilden sie das neue Team. Ihr erstes gemeinsames Programm „Aufgestaut“ soll am 28. Oktober Premiere feiern.
„Völlig verrückt“, kommentiert das eine im Telefon-Interview hörbar glückliche Christl Sittenauer gestern Vormittag. „Ausgerechnet in Corona-Zeiten, da es eigentlich keine guten Nachrichten gibt, erfuhr ich, dass es geklappt hat mit dem Engagement. Wahnsinn!“
So beflügelt machten sich Sittenauer, Fritz, Klötgen und der beim Schreiben unterstützende Regisseur Sven Kemmler an die Arbeit. Zunächst via Skype, nun im derzeit leeren Theater. Und wenn sie dann gemeinsam drauflos überlegen, sich die Bälle zuwerfen, „auch mal kabbeln“, wird deutlich, wie gut Theater-Chef Till Hoffmann und sein Team die Neuzugänge ausgewählt haben. „Ich komme ja von der Impro, dann ist da der Sebastian, der Schauspieler ist, und Frank, ein Poetry Slammer der ersten Stunde. Wir alle bringen unsere Ideen auf den Tisch und Sven als Autor hilft uns, genau zu fassen, wohin die Reise geht. Das funktioniert klasse“, schwärmt die einzige Frau der Truppe. Frank Klötgen bestätigt das: „Ein mehrköpfiges Ensemble ist purer Luxus, den sich nur eine Institution wie die Lach & Schieß leisten kann. Nun müssen wir die Ehrfurcht vor dem Raum erst mal verdauen – um dann angemessen wild loszulegen.“
Angemessen wild – endlich wieder richtig Leben in der Bude also nach der Zwangspause? „Auf jeden Fall!“, betont Sittenauer. „Wir wollen einen Kracher. Wir hoffen natürlich, dass die Leute im Herbst die Schnauze voll haben von Corona – und setzen andere Schwerpunkte. Sonstige Themen neben der Pandemie scheint es gerade ja nicht zu geben. Wir haben versucht, die Nebenerscheinungen, die zurzeit auftauchen, zu fassen.“ Doch vor allem, das unterstreichen sie alle drei, bitte keine schlechte Stimmung. „Wir wollen was Fröhliches.“
Wie hoch die Messlatte in dem Traditionshaus liegt, dessen sind sie sich bewusst. Doch von falscher Ehrfurcht keine Spur – sie genießen das besondere, Kreativität fördernde Ambiente. „Das Haus hat eine starke Atmosphäre, es hat so ein Flair, so eine Geschichte. Wenn du dort spielst, ist das eins zu eins. Die Bühne ist klein und man ist sofort beim Publikum. Schöner kann man es sich nicht wünschen“, findet Sittenauer. Für Frank Klötgen, 52, in Essen geboren, bietet das Engagement auch die Gelegenheit, sich künstlerisch weiterzuentwickeln. „Für mich als Pott-Kind, das über Hamburg und Berlin in München gelandet ist, bedeutet die Aufnahme im Ensemble natürlich die Vollintegration. Mich begeistert aber auch die Aussicht, mit den eigenen Erfahrungen nur einen Teil beizusteuern und ansonsten von den Talenten der anderen zu profitieren.“ Und Sebastian Fritz, mit 33 der Jüngste im Trio? Macht’s kurz: „Ich fühle mich geehrt, find’s super und hab’ Bock.“ Na dann: München freut sich, wieder zu lachen – schießen Sie los!