Der deutsche Titel „Scham“ trifft nicht richtig auf Inès Bayards Roman zu. In ihrem Erstling, auf Französisch „Le malheur du bas“, schildert die Französin (Jahrgang 1992) die Lebenskatastrophe einer glücklichen Frau. Marie ist gut verheiratet, lebt in einem schönen Pariser Viertel und ist erfolgreich in der Bank. Ein Kind ist geplant. In dem Moment, als das Glück in der Zukunft noch rosiger zu sein scheint, wird sie vom Bankdirektor aufs Widerlichste vergewaltigt. Eingesperrt in ihr harmoniesüchtiges Selbst, in ein gutbürgerliches Verhaltenssystem und in eine männerbeherrschte Gesellschaft wird sie zu einer Art Zombie. Die Autorin setzt die Leserinnen und Leser schonungslos der erschütternden Geschichte einer furchtbaren Zerstörung aus. Sie schreibt gut und klar, bisweilen soziologisch überdeutlich erklärend – entschuldbar bei einer Debütantin. sida