Blick zurück voll Nostalgie

von Redaktion

Max Giesinger enttäuscht mit der neuen CD

VON KATJA KRAFT

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, der setzt auf alte Hits. Neu arrangiert. Stecker raus, Akustikgitarre an. In Pressetexten heißt es dann, dass da jemand einfach mal kritisch den ganzen Popzirkus, in dem er oder sie wie ein dressiertes Pferdchen herumspringt, mit leisen Tönen hinterfragen möchte. Ein bisschen MTV-unplugged-Erfolg würde Max Giesinger aber sicher trotzdem taugen. Klingt hübsch, dass der Singer-Songwriter mit seinem neuen Album, ohne auf Verkaufszahlen zu schielen, einzig „zurück zu seinen Wurzeln“ – der Mann ist 31 und erst seit acht Jahren der Öffentlichkeit bekannt – finden möchte.

Bedeutungsschwerer Titel der Scheibe: „Die Reise (Akustik Version)“. Man muss noch nicht viele Popmusikplatten gehört haben, um zu verstehen, dass es sich selbstverständlich nicht um irgendeine Partymucke handelt. Nein, das Leben selbst nimmt sich Giesinger vor. „Auf zu neuen Ufern“ heißt es im tragenden Eingangssong „Bist du bereit“ wenig kreativ. Und während er darin sehnsuchtsvoll mit seiner angenehmen, immer etwas angerauten Stimme (weil für die Stimmen deutscher Liedermacher wie für ihre Gesichter gilt: bisschen Bart und kratzig muss, zu glatt soll’s nicht sein) über die unplanbare Zukunft singt, wundert man sich über die wenig einfallsreichen Texte.

Was ist aus vogelwilden Zeilen wie Westernhagens „Ihr Name war Fräulein Meyer/ Meyer mit Ypsilon /Sie schaffte täglich zehn Freier/ Was für ‘ne Kondition“ geworden? Heute scheinen die Burschen nicht mehr willenlos von lässigen Ladys zu träumen, sondern nur um sich selbst zu kreisen. Während Westernhagen seiner Angebeteten den großen Zeh lutschte (Skandal!), wären eben diesem Fräulein Meyer beim Gesang von Giesinger die Füße eingeschlafen. „Manchmal zweifle ich/ Doch ich zeig es nicht/ Ich frage mich, ob dich noch was bei mir hält/ Wenn die Fassade fällt/ Kannst du mich hören, wenn ich leiser bin?“, wehklagt er in „Wenn ich leiser bin“. Gegenfrage: Noch leiser? Der einfühlsame Mann am Lagerfeuer muss doch nicht nur nachdenklich in die flackernden Flammen schauen, weil seine Rehaugen dann so hübsch funkeln. Richtig lustig wird’s erst, wenn der mal loslegt und die ganze Truppe zum Tanzen bringt.

Ach so, dafür gibt’s ja, Stichwort Auf-Nummer-sicher-Gehen, die alten Hits im neuen Akustikgewand. Giesingers Radioohrwürmer „Wenn sie tanzt“ und „Auf das, was da noch kommt“ lenken davon ab, dass die neuen Lieder eintönig dahinplätschern. In den beiden Songs geht es, wie bekannt, darum, mal ganz verrückt Zeit zu vertrödeln. Bis die Wolken wieder lila sind; so in der Art.

Ratlos lässt einen Giesingers Platte zurück. Was sagt der Erfolg solcher Musik über die Generation aus, die sie begeistert hört? Deren größtes Problem es ist, sich nicht entscheiden zu können zwischen all den Möglichkeiten. Die sich mit Anfang 30 nostalgisch wie andere am Lebensende an die gute, alte Zeit erinnert, als man mit seinen Kumpels abhing. So wie Max Giesinger im Titelsong „Die Reise“. Der wiederum wirkt wie eine blasse Kopie von Johannes Oerdings „Hundert Leben“. Noch so ein Singer-Songwriter mit Bart. Aber Gott sei Dank auch mit jede Menge Sinn für Selbstironie. Vielleicht liegt das an der coolen Socke an seiner Seite. Ina Müller. Die traut sich, Sachen rauszuhauen. Vielleicht sollte sich Giesinger wirklich auf die Reise machen. Nach Hamburg, zur Ina. Und beim Bierchen lernen, dass das Leben eigentlich gar nicht so hart ist, wie es bei ihm klingt.

Max Giesinger:

„Die Reise – Akustik Version“ (Warner Music).

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