Abschied nehmen, das gehört für Sängerinnen und Sänger zum Berufsalltag. Sei es aufgrund befristeter Verträge oder weil man selbst zum nächsten Karrieresprung ansetzt. So verlässt nun auch Christoph Seidl (Foto: Marie-Laure Briane) den Gärtnerplatz nach vier Jahren in Richtung Essen. Nicht allerdings, ohne sich noch einmal nachhaltig beim Münchner Publikum ins Gedächtnis zu bringen und dabei von einer anderen Seite zu zeigen. Nämlich als Lied-Interpret.
Mit Schuberts „Schöner Müllerin“ hatte er sich dafür ein Paradestück ausgewählt, das sonst eher von Tenören und Baritonen in Beschlag genommen wird, nun jedoch auch in der Basslage seine eigenen Meriten entwickelte. Schließlich findet man sich in Seidls Stimmfach auf der Bühne nur selten in der Rolle des jungen Verliebten wieder.
Ob es wohl daran lag, dass er und sein Klavierbegleiter Oleg Ptashnikov anfangs ein wenig zu forsch unterwegs waren und der Aufbruch zur Wanderschaft eher im Sprint absolviert wurde? Oder sollten es die überschäumenden Glückshormone sein, die sich hier ihren Weg bahnten? Mit zunehmender Dauer und zunehmender Sicherheit gewann die Interpretation der beiden allerdings schnell an Tiefe und fand schließlich auch die nötige Ruhe für Lieder wie den „Morgengruß“ oder den gefühlvollen „Tränenregen“. Mustergültig ebenso „Der Müller und der Bach“, wo sich das zwischendurch bescheiden in den Hintergrund tretende Klavier wieder zum gleichberechtigten Partner aufschwang.
Und auch, wenn sich über mögliche Zugaben nach den Schubert-Zyklen mit Puristen trefflich streiten lässt: Man hätte nur ungern auf das abschließende „Über allen Wipfeln ist Ruh“ verzichtet, für das Seidl seinen voluminösen Bass sanft zurückzunehmen verstand und das Publikum in andächtiger Stille verharren ließ. TOBIAS HELL