„Wir hätten noch mehr anbieten können“

von Redaktion

Josef E. Köpplinger über die Gärtnerplatz-Kraftakte am Ende der Corona-Saison

Fast so schnell, wie die Pandemie den Spielbetrieb lahm legte, hat das Gärtnerplatztheater wieder den Weg zurück in die „neue Normalität“ angetreten. Fast täglich sind im Juli Vorstellungen und Konzerte zu erleben, die alles andere als ein „Notfall-Spielplan“ sind. Ein Kraftakt für das Haus und sein Ensemble, der sich für Intendant Josef E. Köpplinger jedoch ausgezahlt hat.

Wie haben Sie die Corona-Zeit bisher erlebt?

Ich muss sagen, das Haus ist in den letzten Wochen wirklich über sich hinausgewachsen. Daher erst einmal ein großer Dank an mein Team. Einerseits war uns klar, wir wollen wieder sicher, aber bald Theater spielen und dabei auf hohem Niveau das ganze Spektrum unseres Spielplans abbilden. Operette, Oper, Musical und Tanz. Das Ballett kam nur deshalb etwas später, weil wir aufgrund der Sicherheitssituation damit warten mussten.

Wie lange brauchte es, um den Notfall-Spielplan auf die Beine zu stellen?

Wir hatten durch die recht plötzliche Öffnung eine Vorlaufzeit von maximal zehn Tagen, um unsere Module zu schreiben und zu proben. Was unsere Regie-Assistenten da geleistet haben und wie sie den Raum genutzt haben, finde ich bemerkenswert. Dann war noch dieses Phänomen, dass viele aus dem Ensemble noch mit eigenen Ideen kamen. Wir hätten gut zwanzig Abende wie die Wiener Lieder oder den Late Night Swing anbieten können. Aber als Intendant muss ich auch auf die Belastbarkeit, also auf das Pensum meines Ensembles achten.

Als Ensemblehaus dürften Sie momentan gegenüber Theatern, die überwiegend mit Gästen arbeiten, im Vorteil sein. Könnte es eine Trendwende geben?

Natürlich konnten wir so viel spontaner reagieren. Gerade, weil wir ein so vielseitiges Ensemble haben. Es geht gar nicht darum, welches Theater mehr auf die Beine stellt. Das ist ja kein Wettbewerb. Aber auf unsere 70 Vorstellungen sind wir schon ein bisschen stolz. Wobei wir auch Gäste dazugeholt haben. Ich bin der Überzeugung, dass es gut und wichtig ist, auch freien Künstlern in dieser schwierigen Zeit Solidarität zu bekunden.

Könnte es aufgrund des positiven Publikumszuspruchs auch nach der Corona-Zeit ähnliche kleine Formate an Ihrem Haus geben?

Ich wollte ursprünglich schon nach unserem Einzug solche Liederabende auf der Bühne machen, was im Repertoirebetrieb allerdings nur schwer geht, weil wir kaum Lagerplatz für Dekorationen unserer laufenden Stücke haben. Aber ich bin froh, dass wir es jetzt mal ausprobieren konnten.

Machen Sie sich Sorgen über mögliche Sparmaßnahmen?

Finanziell sind wir an der Grenze. Auch ohne Corona. Aber ich will grundsätzlich nicht jammern. Es wurde uns ja gerade erst wieder gesagt, dass die Kunst Rückhalt von der Politik hat. Und auf diese Aussage verlasse ich mich jetzt einfach!

Und wie ist es mit dem Rückhalt des Publikums?

Wir hatten Anfang März bereits die Soll-Auslastung für diese Spielzeit erreicht. Über das, was danach kam, muss man nicht reden, das sind nur Zahlen. 100 Prozent klingt natürlich gut, ist aber totaler Quatsch, wenn man halt nur 50 bis 100 Karten rausgeben darf. Die Nachfrage beim Publikum ist auf jeden Fall da. Das beste Beispiel ist unser „Finalissimo“-Konzert. Das war innerhalb von vier Minuten ausverkauft, als wir damit online gegangen sind. Und das fast ohne Werbung, weil wir bei Plakaten normalerweise eine Vorlaufzeit von drei Wochen haben.

Wollen Sie überhaupt noch über Corona-Maßnahmen reden oder versuchen Sie, sich einfach damit zu arrangieren?

Ich persönlich glaube, dass wir gerade jetzt die Poesie des Theaters für Kopf und Herz brauchen. Unser Mikrokosmos Theater funktioniert und ist zu jeder Zeit ein unabdingbar gewordener Ort der Freiheit, wo alle Farben, das Bunte unseres Lebens, reflektieren. Für 50, 100, 350 oder 5000 Menschen im Publikum. Kunst und Kultur machen gesund, nicht krank.

Das Gespräch führte Tobias Hell.

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