Jedermann ist nicht jedermann. Es ist die Geschichte von einem, der im Angesicht des Todes dem Reichtum abschwört und sich dem Glauben zuwendet. Und fällt heute sein Name, denken wir an die Salzburger Domtreppe und die prominenten Darsteller, weniger daran, was er uns überhaupt angeht oder was an ihm uns eher befremdet.
Doch jetzt steht dieser Jedermann in einem winzig kleinen Innenhof mitten in der Münchner Altstadt. Zwei Dutzend Zuschauer auf Klappstühlen drehen ihm die Köpfe zu, weitere lehnen sich oben aus den Fenstern. Nun, da er uns – trotz Corona-Abstand – so nah ist, ist er da nicht automatisch einer von uns?
Ein bisschen schon, denn Georg Büttels einstündige Inszenierung mit Markus Böker als Jedermann sowie Diana Marie Müller und David Hang in den übrigen Rollen (im Original von Hofmannsthal sind es 25) zielt auf die Fantasie der Zuschauer. Das „Hof Hör Spiel“ im Hofspielhaus wird unterstützt durch einige handgemachte akustische Stimmungsbeschwörer: klappernde Schuhe, einen Gong, eine Klangschale, ein „Sterbeglöcklein“, Besenstiele für kräftige Akzente auf dem Beton, einen Lüftungsschacht für herzklopfenden Hall, ein Gläserspiel für die Disharmonien des Teufels.
Die Schauspieler dürfen in den Manuskriptseiten mitlesen, die Regieanweisungen werden mitgesprochen. Doch das tut der dichten Atmosphäre, in welcher der schwere, gereimte Stoff oft auf leichtfüßige, auch witzige Art ans Publikum gebracht wird – etwa durch die blitzschnell wechselnden Dialekte, mit denen David Hang seine Figuren charakterisiert –, keinen Abbruch.
Dennoch: Auch zwischen Taubengurren und dem Glockengeläut von St. Peter bleibt Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ abstrakt. Dass Markus Böker schwarz und elegant gekleidet ist, mit dicken Ringen an den Fingern, verhindert jede Identifikation. Ebenso die feine, aber nun einmal sehr feierliche Stilisierung, mit der Diana Marie Müller ihre Rollen versieht. Um „Jedermann“ glaubhaft in unsere Nachbarschaft zu holen, hätte es mehr Nähe bedurft. Und das ist in diesem Fall ausnahmsweise keine Frage von Social Distancing.
Weitere Vorstellungen
am 31. Juli, 1., 5., 6. August, 12., 13., 25., 27. September; Karten unter Telefonnummer 089/24 20 93 33 und www.hofspielhaus.de.