Mit den eigenen Waffen

von Redaktion

Das Theater Augsburg lässt eine Technik testen, die in den Spielstätten Viren tilgen könnte

VON TOBIAS HELL

Kreativität ist von Theatern derzeit mehr gefordert denn je, wenn es darum geht, den Betrieb aufrecht zu erhalten und die kulturelle Grundversorgung zu gewährleisten. Seit Beginn der Pandemie war hier das Theater Augsburg an vorderster Front mit dabei. Sei es mit digitalen Angeboten oder jüngst mit einer großen Musical-Gala auf der Freilichtbühne am Roten Tor. Hier spielt man noch bis Ende Juli vor andernorts kaum mehr vorstellbaren 550 Menschen. Ein erstes Etappenziel, das Intendant André Bücker und sein Team erreicht haben, dem nun eine weitere Initiative folgt. Mit ihr könnte auch das Spielen in geschlossenen Räumen eventuell wieder einfacher werden.

Bücker hat sein Haus aktuell der BOGA GmbH zur Verfügung gestellt, die hier in Zusammenarbeit mit der Münchner hp Labortechnik ein Verfahren zur Raum-Sanitation im großen Maßstab testet: mit einer neu entwickelten Technik, die in Laboren und Krankenhäusern bereits erfolgreich zum Einsatz kommt, um Oberflächen zu desinfizieren. Grundlage ist ein patentiertes Vernebelungsgerät, durch das ein Desinfektionsmittel auf Wasserstoffperoxid-Basis im Raum verteilt wird. Das Virus soll quasi mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden. Dann man erzeugt dank Ultraschalltechnik Aerosoltröpfchen von unter fünf Mikrometern, die dadurch länger in der Luft verbleiben und so besser alle Ecken eines Raumes erreichen. Nicht ohne Stolz verweist Geschäftsführer Gregor Dalhoff darauf, dass sein Unternehmen das bislang einzige ist, dessen Verfahren der strengen EU-Norm entspricht.

Gearbeitet wird daran bereits seit mehreren Jahren. Doch wie in anderen Bereichen, hatte die Corona-Pandemie auch hier eine beschleunigende Wirkung, wie Dahlhoff nach der Abriegelung des Zuschauerraums erzählt. „Es ist auch für uns ein Experiment, weil man einen großen Theatersaal nicht so abdichten kann wie beispielsweise ein Krankenzimmer. Wir müssen sehen, wie wirkungsvoll sich die Keimreduktion in diesen Dimensionen umsetzen lässt.“ Versprechen will Dahlhoff daher nichts und lieber die Auswertung der im Augsburger Theater gesammelten Daten abwarten. „Wir haben dafür ein Kompetenzteam gebildet, bei dem wir mit Virologen, Toxikologen und einem externen Hygieniker zusammenarbeiten. Die sagen uns dann auch ganz ehrlich, wenn etwas nicht so funktioniert, wie wir es uns erhofft haben, und dass wir noch einmal neu ansetzen müssen.“

Mehr Optimismus dagegen beim stets praktisch denkenden Intendanten. Schließlich hat die Produktion auf der Freilichtbühne für André Bücker gezeigt, dass Ausnahmeregelungen bei gut durchdachten Hygienekonzepten sehr wohl möglich sind und mit genügend Hartnäckigkeit auch bei den Entscheidungsträgern Gehör finden. „Jeder von uns hat Verständnis für die Maßnahmen, die die Politik ergriffen hat. Dass es jetzt bei der Öffnung vielleicht nicht so strukturiert zugeht, wie bei der Schließung … nun gut. Letztendlich geht es darum, dass wir initiativ werden und mit individuellen Konzepten und Darstellungsformen darauf reagieren. Das gehört auch zum Wesensmerkmal eines Kultur- betriebs.“

Dass die Rückkehr zur Normalität noch etwas auf sich warten lassen wird, ist Bücker dabei bewusst. Er wäre momentan schon froh, wenn zur Mitte der kommenden Spielzeit wieder alle Sitze seines Hauses in den Verkauf gehen könnten. Umso wichtiger ist es für ihn, alles zu tun, um diesen Prozess zu beschleunigen. „Das kann natürlich nur ein Teil eines Gesamtkonzepts sein. Es wäre naiv zu glauben, wir vernebeln jetzt einmal unseren Zuschauerraum und damit gibt es keine Ansteckungsgefahr mehr. Aber wir können ein Paket machen, mit dem wir kommunizieren, dass wir alle verfügbaren Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um den Theaterbesuch so sicher wie möglich zu machen. Das ist nicht nur für die Besucher wichtig, sondern auch für unsere Mitarbeiter, die genauso betroffen sind.“

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