Überall, wo man hingeht, ist er schon da: der Markt. In der Firma, im Discounter, in der Nobelbar, am sogenannten Arbeiterstrich, am echten Strich, im Urlaub, auf Pilgerreise, in jedem Land der Welt. Und nun auch noch in Ismaning, im schönen Schlosspark. Dort liegt das Kallmann-Museum, und bis 6. September verspricht das Haus sogar noch eine „Ausweitung der Marktzone“. Das klingt wie eine Drohung.
Doch gibt es Entwarnung. In den acht Räumen wird nicht der Markt erweitert. Der Schlachtruf lautet eher: Die Zeit wird knapp, lasst uns den Markt bitte ganz schnell loswerden. Explizit geäußert wird das freilich nicht. In der Kunst geht es implizit zur Sache, dafür aber in diesem Fall ziemlich explizit implizit. Die Ausstellung mit dem an ein Buch von Michel Houellebecq angelehnten Titel hält viele sehr originelle Arbeiten zum Thema bereit. Die einen verlangen etwas mehr, die anderen etwas weniger Zeit, bis sie ihr kritisches Potenzial preisgeben. Für alle Gäste, die in die Tiefe gehen wollen, bietet das Museum eine Art Beipackzettel zur Schau an, die den Untertitel „Künstlerische Fragen an den heutigen Kapitalismus“ trägt.
Zu sehen ist eine große Vielfalt. Skulpturen, Installationen, Videokunst und Animationen, Zeichnungen, die kaum noch als solche identifiziert werden können, Grafiken, Fotografien, Objekte, Stickwerke und Filme. Die Arbeit des Briten Thomas Twaites – ein selbst gebauter Toaster, dessen Materialien der Künstler eigenhändig in aller Welt zusammensuchte und dessen Gestalt aussieht wie eine mit Pudding umhüllte, explodierte Blechkiste – entzieht sich sogar sämtlichen Kategorisierungen. Sie ist ein Konglomerat aus allem Möglichen.
Für den Einstieg empfehlen sich die Werke Jochen Höllers aus der Serie „Money“, insbesondere zwei Büchertürme namens „Boom“ und „Crash“. In ihnen spiegelt sich das dem Markt stets immanente Wesen der Krise, das Friedrich Engels bereits 1844 erkannte. Der boomende Bücherstapel droht zu kippen. Der Stapel des Niedergangs hat den Boden schon erreicht, aber eben festen Boden. Bald geht es für Buchbestseller wie „Der Crash ist die Lösung“ wieder steil nach oben.
Die Ideologie hinter Crash und Boom, ihrer vermeintlichen Naturgegebenheit und ihrer ewigen Fortsetzung offenbart sich drei Räume weiter in einem zwölfköpfigen Sammelposter von Sven Johne. Die einzelnen Bilder zeigen grinsende Motivationstrainer und ihre blödesten Sprüche. Da heißt es etwa: „Earth is Heaven. Or Hell. Your Choice.“ – „Die Erde ist der Himmel. Oder die Hölle. Ihre Entscheidung.“ In einer Welt, in der viele Menschen in größte Armut, Krieg oder totalitäre Regimes hineingeboren werden, klingt das mehr als zynisch. Dennoch wird immer noch brav daran geglaubt.
Nicht alle Kunstwerke offenbaren sich dem Betrachter so schnell wie diese. Die Filme von Oliver Ressler und Stefanie Zoche etwa verlangen dem Gast Aufmerksamkeit und Geduld ab. Wer beides mitbringt, erfährt viel über die in der Marktwirtschaft ebenso omnipräsente wie unüberlegte Nutzung von Ressourcen sowie globale Ausbeutungsverhältnisse. Zoches Bilder von leer stehenden und niemals vollendeten spanischen Feriensiedlungen haben nichts vom Zauber der gern fotografierten „lost Places“, also von romantischen, verlassenen Orten. Sie offenbaren vielmehr, dass selbst das, was dem Menschen Freude bereiten sollte, bedingt durch Markt, Kapitalfluss und Konkurrenzdruck nur eine leere, inhumane Hülse, ein Produkt ist. „Ausweitung der Marktzone“ hält viele Exponate bereit, die Zusammenhänge wie diese voller Ernst illustrieren. Auch Münchner Künstler sind dabei, etwa Beate Passow mit einigen raffiniert-anspielungsreichen Stickbildern. Sie und ihre Kolleginnen formulieren Kritik an einem System, die oft geäußert, selten jedoch ernst genommen wird. Zeit wird’s.
Bis 6. September,
Di. bis Sa. 14.30 bis 17 Uhr,
So. 13 bis 17 Uhr, Schlossstraße 3b, Eintritt: vier Euro,
Telefon 089/961 29 48.