Um acht Uhr morgens, so wird in Salzburg erzählt, habe sie regelmäßig „ihre Buben“ eingepackt und sei nach Wien gefahren, um die Politiker zu überzeugen. Die Buben, das sind Intendant Markus Hinterhäuser und der kaufmännische Direktor Lukas Crepaz. Wobei: Das Bild der fürsorglichen Mutter umfasst es nicht ganz, was Helga Rabl-Stadler in diesem Jahr für ihre Salzburger Festspiele geleistet hat. Der Präsidentin allein ist es wohl zu verdanken, dass „ihr“ Festival im Corona-Jahr überhaupt stattfindet.
Hartnäckigkeit, Zuversicht und eine Riesenportion Erklärwut gehören dazu. Statt milde (und dadurch überheblich) über die Entscheidungsträger zu lächeln oder Forderungen zu stellen, hat die 72-Jährige in Wien erläutert, was es mit einer Opern- oder Konzertaufführung auf sich hat, was dafür gebraucht wird, was Bläser von Sängern unterscheidet, warum vieles gar nicht so gefährlich ist und dass Salzburg mit einem nachvollziehbaren Hygiene-Konzept aufwarten kann. Das Ergebnis, vier Festspielwochen in Corona-Zeiten, spricht für sich – und für Helga Rabl-Stadler.
Ursprünglich wollte man sich im Jubiläumsjahr mit einer einzigen „Jedermann“-Aufführung zufriedengeben. Wenigstens das Gründungsstück sollte zum 100. Geburtstag zu erleben sein. Doch dann wuchs der Mut und mit ihm der Spielplan. Die meisten Neuproduktionen mussten zwar auf 2021 verschoben werden. Aber vier Premieren, das ist doch immerhin etwas – und viel, viel mehr, als andernorts möglich ist.
„Ich habe keine Minute daran gezweifelt, dass wir in diesem Sommer spielen würden“, sagt Helga Rabl-Stadler – und ihr darf man abnehmen, dass dies nicht nur Phrasengedresche ist. Seit 1995 sitzt sie auf dem Präsidentinnen-Thron. Anfangs bespöttelt, hat sie sich zum Rückgrat des weltweit wichtigsten Festivals gemausert. Ein paar Mal hat sie sich schon zurückziehen wollen – und wurde (wahrscheinlich sehr leicht) zum Bleiben überredet. 2021 soll endgültig Schluss sein. Wer’s glaubt. MARKUS THIEL