Der bescheidene Gitarrengott

von Redaktion

NACHRUF Zum Tod von Peter Green, Mitgründer der Blues-Rock-Band Fleetwood Mac

VON ZORAN GOJIC

Glaubt man John McVie, dem Bassisten von Fleetwood Mac, begann der Abstieg von Peter Green vom gefeierten Gitarrengott zum Psychiatriepatienten in der Nacht des 21. März 1970 in München. Noch am Flughafen Riem wurde die Band von einem „arroganten“ Hippiepärchen abgefangen und zu einer Party in eine Villa gelotst. Nach der Augenzeugenbeschreibung des damaligen Gitarristen Jeremy Spencer („sehr hübsche Frau und ein John-Lennon-Imitat“) könnte es sich bei den Edelfans um die lokal ansässigen Kommunarden Rainer Langhans und Uschi Obermaier gehandelt haben, man weiß es nicht.

Hübsche Mädchen gab es außer Uschi Obermaier viele in München, und wie John Lennon aussehen wollten damals alle. Jedenfalls gab es bei besagter Feier ein Glas Wein für Green – danach folgte ein totaler Blackout. Man habe ihm die damals beliebte Droge LSD untergejubelt, vermuteten die anderen Bandmitglieder später, und der Kollege habe den damals schon gefürchteten „schlechten Trip“ gehabt, von dem man sich nicht mehr erholt. Wobei Schlagzeuger Mick Fleetwood heute darauf hinweist, dass es Peter Green schon vor dem Zwischenfall in München nicht gut ging.

Green jedenfalls, bis dahin musikalischer Kopf und prägende Gestalt der außerordentlich erfolgreichen Blues-Rock-Formation Fleetwood Mac, stieg über Nacht aus dem Geschäft aus und verschwand erst mal spurlos. Es waberten wildeste Gerüchte. Er lebe in einem Kibbuz in Israel, er sei obdachlos oder, damals die Horrorvision für Rockfans, er lebe zurückgezogen ein ganz normales bürgerliches Leben.

Was genau er die Jahre über bis zu seinem Comeback 1979 getrieben hatte, wusste Peter Green selber nicht so ganz genau. Er hatte schon seit seiner Jugend Drogen konsumiert, und dieser eine üble Trip in München hatte ihn geistig endgültig zerrüttet. Er verbrachte viel Zeit in psychiatrischen Kliniken und brauchte lange, um im wahrsten Sinne des Wortes zu sich zu kommen. Als er ein Jahrzehnt später wieder auftauchte, war seine Band Fleetwood Mac immer noch da, hatte aber nichts mehr mit der Musik zu tun, mit der sie angefangen hatte.

1967 hatte Gitarrist Peter Green mit dem Schlagzeuger Peter Green’s Fleetwood Mac gegründet. Die Band, bald nur noch als Fleetwood Mac bekannt, war ein Instant-Erfolg. Britischer Blues-Rock war gerade mächtig angesagt und Green einer der besten Gitarristen der Szene. Schon als Teenager hatte er die Position von Eric Clapton bei John Mayalls Bluesbreakers geerbt. Der junge Green war fanatischer Verehrer der alten Blues-Heroen wie B.B. King oder Muddy Waters, aber sein Spiel hatte nichts von deren schroffer Härte – Green hatte einen weichen, eleganten Klang. Vielleicht weil er als Kind erst lange auf akustischen Gitarren trainiert hatte, bevor er auf elektrische umstieg. Damit prägte er die frühen Fleetwood Mac, schon ein Jahr nach Gründung hatten sie mit dem Instrumental- Stück „Albatross“ einen Nummer-eins-Hit in ihrer Heimat.

Von 1968 bis 1970 gehörten sie zu den umsatzstärksten Bands Großbritanniens, was keine geringe Leistung ist, wenn man sich vor Augen hält, wer sich da sonst noch tummelte: The Beatles, The Rolling Stones, The Who, Led Zeppelin, Deep Purple…

Peter Green freilich kam mit dem Erfolg und dem Leben als Rockstar nicht gut zurecht. Er war ein schlechter Selbstdarsteller, grüblerisch veranlagt und begegnete dem Druck im Musikgeschäft mit der immer häufigeren Flucht in die Welt der Drogen – und des Glaubens. Obwohl als Jude geboren, begeisterte sich Green für das Christentum und spendete einen Großteil seines Einkommens an wohltätige Einrichtungen. Die anderen Bandmitglieder forderte er ebenfalls dazu auf, aber deren schlechtes Gewissen ob des unmoralischen Lebenswandels in der Unterhaltungsbranche war nicht ganz so groß.

Als Green 1970 Fleetwood Mac grußlos verließ, erfand sich die Gruppe als Pop-Sensation komplett neu und wurde noch erfolgreicher. Allein von der LP „Rumours“ verkauften sich seit Erscheinen 1977 über 40 Millionen Exemplare. Peter Green hatte davon nichts, er hat das aber nie groß beklagt. Er tourte seit 40 Jahren mit seiner Splinter Band um die Welt und nahm ab und an Alben auf, die freundlich besprochen wurden.

Er habe ohnehin viel Glück gehabt, meinte er einmal in einem seiner seltenen Interviews. Als Arbeiterkind hätte er irgendwie immer das Gefühl gehabt, als Musiker keinem richtigen Job nachzugehen. Für einen, der Welthits wie „Black magic Woman“ komponiert hat, eine fast aberwitzige Aussage. Der Legende nach soll Green einmal einen Buchhalter mit einer Pistole bedroht haben, weil der ihm einen Tantiemenscheck überreichen wollte. Für dieses Geld habe er gar nichts geleistet. Nun ist Peter Green, bescheidenes Ausnahmetalent und virtuoser Gitarrist, mit 73 Jahren gestorben.

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