Liebe und andere Hindernisse

von Redaktion

PREMIERENKRITIK „Schwiegermütter und andere Bosheiten“ in der Komödie im Bayerischen Hof

VON MALVE GRADINGER

Besser dünn besetzt als gar keine Theatervorstellung – das könnte die Durchhalteparole sein, solange noch kein Impfstoff gegen Covid-19 gefunden ist. Bedrückende, harte Zeiten, auch für die Münchner Komödie im Bayerischen Hof. Zumindest haben die 140 erlaubten Zuschauer die augenblicklich wieder verstärkt aufflammende Pandemie in dieser pausenlosen 90-Minuten-Premiere vergessen: Alexander Olligs „Schwiegermütter und andere Bosheiten“, ernsthaft nah an unserem Leben geschrieben, jedoch mit einer humorvoll-versöhnlichen Leichtigkeit, ist so etwas wie ein Reality-Theaterstück.

Das verwundert nicht: Autor Ollig war als langjähriger Redakteur fürs ZDF und als Produzent für die Bavaria mit Misch-Genres vertraut, um nur mal „Weißblaue Geschichten“ und „Die Rosenheim-Cops“ zu nennen. Und auch an diesem Abend ist es die Lebensunmittelbarkeit, die einen ab der ersten Minute hineinzieht in diese miteinander verflochtenen Beziehungen.

Bernhard ist gerade dabei, eine neue Bleibe zu finden, weil Henrike nach allzu gemütlicher Ehe die Freiheit will. Es treffen ein: Henrikes Freundin Claudine, frisch gepolt auf Familie und Kinder, und Uwe, deren Zukünftiger, erfolgreicher Banker. Wie sich bald herausstellt, ist er aber auch ein Medienzeitalter-Don-Juan, das Smartphone permanent griffbereit. Während er offiziell Claudine ehelichen will, vertröstet er telefonisch gleich mehrere Damen auf ein bevorstehendes Dinner. Darunter Eva, verdächtig namensgleich mit der Tochter seiner Gastgeber. Wenn’s nur das wäre. Henrike ist nur einmal in 21 Jahren Ehe fremdgegangen – ausgerechnet mit Uwe! Und der hatte als junger Spund auch Henrikes Mutter Gerda verführt.

Real unwahrscheinlich? Schon. Aber auf diese zweckhaft dramaturgische Verdichtung kommt es nicht an. Ollig zeigt hier unterschiedliche emotionale Veranlagungen, legt Bedürfnisse, Lebenswünsche offen. Und dieses „allzu Menschliche“ spricht uns unmittelbar an.

Wie auch nicht bei so einem Super-Quintett, das durch Thomas Peknys türenlose lichte Bühne Corona-gesichert auf- und abtreten kann. Simone Rethel, die eigenwillige Gerda, huscht durch das semi-abstrakte Wohngelände wie ein postmodernes Rumpelstilzchen, neugierig, kokett, lustvoll unruhig, aber am Ende Frieden stiftend. Die Frauen scheinen eine Lebenslehre durchgemacht zu haben: Susu Padotzkes Henrike schätzt letztlich den Wert einer soliden Beziehung, Anna Lena Class’ Claudine erkennt ihren Ehe-Traum als vergangene Illusion. Und Tunichtgut Uwe? So charmant schurkig wie Pascal Breuer ihn spielt, kann man diesem notorischen Frauenheld nicht böse sein. Und das Liebenswerte am Menschen, über alle Unvollkommenheit und Fehler hinweg, hat Breuer auch aus dem Text herausgekitzelt.

Das Herzstück des Abends ist Michael von Aus Gestaltung seines Bernhard: Wie er sich in sein Schicksal des probeweise abgehalfterten Ehemanns fügt, wie er sein schlaksiges Körpergestell bewegt, überhaupt den Raum füllt mit so vielen kleinen Gesten der Verzweiflung und doch auch des inneren Widerstandes, wie er Olligs zügige Dialogsprache mit verhaltenem Zorn einsalzt, das nimmt man mit nach Hause.

Zu Beginn hatte Thomas Pekny auf die prekäre Situation seines bekanntlich nicht subventionierten Hauses hingewiesen, auch die Freude aller Mitwirkenden betont, endlich wieder spielen zu können. Der euphorische Schlussapplaus hat ihm sicher signalisiert, dass die Zuschauer der Komödie treu bleiben werden.

Weitere Vorstellungen

bis 6. September; Telefon 089/29 16 16 33.

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