Sie will doch nur spielen

von Redaktion

Wie sich Hofspielhaus-Chefin Christiane Brammer gegen die Krise stemmt

VON KATRIN BASARAN

Blonde Lockenmähne, fröhlich bunte Klamotten und diese Energie! Und das schon morgens um neun Uhr. So ist sie also, eine moderne Jeanne d’Arc? Dieser Ruf eilt Christiane Brammer, TV-Schauspielerin („Die Fallers“) und Intendantin ihres kleinen Hofspielhauses an der Münchner Falkenturmstraße, voraus. „Na ja“, wehrt die 54-Jährige ein wenig verlegen ab, „die echte hat man ja auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ Aber streitbar – wenn man sie denn unbedingt mit der Jungfrau von Orleans vergleichen wolle: Ja, das sei sie auch.

Spätestens an Ostern habe sie ihre leichte Corona-Depression abgestreift und schmiede seither Pläne, die vor allem ein Ziel haben: trotz strenger Auflagen den Leuten wieder Kultur zu bieten. Mit ihrem kleinen Bühnenformat stößt sie freilich immer wieder an Grenzen: „Bei mir gehen ja nur 28 Leute rein. Aber das ist halt so“, sagt sie und wischt mit einem Lappen über die Theke im Kellergeschoss. Lohnt sich das denn? Brammer wehrt ab: „Ich möchte nicht mehr über Geld sprechen. Kunst wird derzeit nur noch mit Geld assoziiert. Ich aber möchte Theater machen.“ Schwierig genug sei das: „Ich muss Stücke suchen, bei denen die 1,50 Meter Abstand garantiert sind, am besten Solostücke. Und ich muss mich immer fragen: Kann oder darf ich das?“

Diese Einschränkungen stellen die Freiheit der Kultur arg auf die Probe. Manchmal sorgt das auch bei der sonst so taffen Frau für eine große Müdigkeit und Leere. Wie etwa nach der Premiere ihres Drei-Personen-Stücks „Jedermann“. Viel Zeit sei allein dafür draufgegangen, die Stühle den behördlichen Anordnungen entsprechend zu platzieren. „Diese drei Stunden könnte man besser etwas denken, etwas kreieren“, sagt sie und rollt mit den Augen. „Ich bin sonst sehr guter Dinge, das belastet mich aber. Weil ich mich frage: Was machen wir mit unserer Kunst, wo geht das hin?“

Etwas mehr Platz hat sie in der Passage neben ihrem Hofspielhaus – 40 Gäste dürfen dort immerhin hinein. Aber bevor Brammer dafür die Genehmigung erhielt: „Das war ein langer Kampf mit dem Kreisverwaltungsreferat. Kunst im öffentlichen Raum ist nicht so einfach.“ Auch mit ihrem Projekt vor der Kirche St. Anna im Lehel war das so. Dort machte sie die Menschen, vor allem Kinder, unter anderem mit dem „Sängerkrieg der Heidehasen“ glücklich. Theater für alle – wohlgemerkt ohne Eintritt. Das Projekt ist derzeit ausgelaufen, eine Verlängerung aber denkbar.

Ihr Projekt „Theater lebt“ auf dem Bürgersteig vor dem Hofspielhaus, ebenfalls kostenfrei, musste sie hingegen nach fünf Vorstellungen einstellen. Es gab eine anonyme Anzeige. Das Verfahren läuft derzeit noch. Aufgeben ist ihre Sache jedenfalls nicht. Trotz behördlichen Ärgers, Einschränkungen und quasi nicht vorhandener Einnahmen. Ihr Ensemble weiß Christiane Brammer dabei hinter sich.

Also doch streitbar wie Jeanne d’Arc? „Meine Künstler und ich, wir sind eine kleine Kunstarmee. Es spielen ja noch immer nur sehr wenige. Und Theater machen ist meine Aufgabe.“ Und auch da hat sie Ambitionen. „Olle Kamellen“, wie sie es nennt, will sie nicht aufwärmen. Stattdessen strebt Brammer nach Stücken mit Inhalt. „Bunte Abende sind nicht so meines. Ich habe lieber ein neues Stück in Auftrag gegeben: ,Anaerob‘ von Sascha Fersch ist der Monolog einer jungen Frau, die an einer Autoimmunerkrankung leidet und die in der Pandemie mit ihren Abstandsregeln eine neue Chance auf Leben bekommt.“

Am 10. September eröffnet Christiane Brammer mit der Komödie „Carmen Sedlmayr“ die neue Saison. „Da wird meine Mutter Inge Rassaerts wieder mitspielen“, freut sie sich. Beim Gendermusical „Ein wenig Farbe“ führt Brammer selbst Regie. Sie will außerdem den „Reigen“ von Schnitzler aufführen und „Die Zauberflöte“ neu aufbereiten. Ihr Jugendclub arbeitet gerade am Stück „Greta und Jeanne“. Ein Stück über die fiktionale Begegnung zwischen Greta Thunberg und Jeanne d’Arc. Premiere ist für den 28. September geplant. Da ist sie wieder, die streitbare historischer Figur, mit der Brammer so oft verglichen wird. Sie kämpft für das Theater, für das Überleben der Kultur. Als Mission, nicht um das große Geld zu verdienen: „Reich werde ich davon nicht. Aber wissen Sie: Ich kann doch nur ein Schnitzel essen. Theater ist eben meine Leidenschaft – und dafür brenne ich.“

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