Happy Birthday, Mister Jedermann

von Redaktion

Wiederaufnahme des Salzburger Gründungsstücks mit einer neuen Buhlschaft

VON MARKUS THIEL

Immerhin 30 Minuten waren das. Zwischen regenbedingter Absage des Freiluft-Spektakels auf dem Domplatz und Beginn der Ersatz-Aufführung im Großen Festspielhaus. Für die Buhlschaft zu wenig. Kein mondäner Party-Auftritt ist dies also, eher ein Hereinschlittern mit dem unausgesprochenen Bedauern auf dem Lippen: „Sorry, spät dran.“ Vielleicht auch, weil für diese Dame nur ein Lebensabschnitts-Kerl wartet. Trotz Marilyn-Song auf der Showtreppen-Torte („Happy Birthday, Mister Jedermann“) nebst späterer Umgarnungsaktion: Kann sein, dass auch sie vom Titelhelden für den Abend nur engagiert wurde.

Buhlschaft, das trifft’s also nicht ganz. Große Schwester oder junge Stiefmutter schon eher. Caroline Peters, bei der „Mord mit Aussicht“-Fans immer die TV-Vergangenheit mitdenken und weniger die Burgtheater-Größe, ist womöglich eine der charmantesten Fehlbesetzungen der 100-jährigen „Jedermann“-Geschichte. Was weniger am crèmefarbenen Glitzerfummel zu Beginn liegt, der nach der Ästhetik-Polizei verlangt: Die neue Buhlschaft im Jubiläumsjahr wäre perfekt gewesen für eine Inszenierung, die mit dem Stück spielt, jongliert, die Moralinsäure aus der Distanz analysiert, vielleicht alles weitertreibt ins Schräge und dies dabei mit dem ungläubigen Scheinwerferblick ihrer großen Augen betrachtet. Genügend Komplizen gäb’s dafür ja genug. Mavie Hörbiger als Werke, die immer die kritische Masse ihrer Emotionalität mitspielt. Gregor Bloéb als guter Gesell/Teufel, vor allem aber Peter Lohmeyer als Stimme des Herrn und Tod.

Weniger Tobias Moretti, der die Hybris Jedermanns eine Spur zu direkt ausstellt und richtig stark wird, wenn er schwach sein muss – der Publikumsliebling, letztmals bei Hugo von Hofmannsthals erzkatholischer Apotheose dabei, spielt Jedermann mit versierter Virtuosität wie ein Zitat aus guter alter Theaterzeit. Sie alle haben das Problem, dass sie im Grunde unterfordert sind. Regisseur Michael Sturminger will das oft kritisierte Stück ins Heute holen und bleibt dabei auf einem Drittel der Wegstrecke kraftlos stehen. Am weitesten kommt noch Komponist Wolfgang Mitterer, der die 100 Minuten mit einer Klangkulisse aus Musikscherben umgibt. Zitathaftes, das nicht nur untermalt, sondern – ob Herkunft, Spielort oder Tradition – vieles mitdenkt.

Mit einem einzigen „Jedermann“ am 22. August wollten die Festspiele ursprünglich ihr Jubiläum feiern. Dass trotz Corona-Zeit die Verantwortlichen immer mutiger wurden, den Spielplan um das Gründungsstück immer mehr wuchern ließen, ist ein schönes Bild und wie stellvertretend für die gesamte Festspielgeschichte. Ob es nach Morettis Abgang 2021 eine Neuinszenierung gibt, ist noch offen. Für Buhlschaft und Jedermann drängt sich manche Besetzung auf: Mavie Hörbiger sollte gesetzt sein, um die Titelrolle dürfen gern Gregor Bloéb und Joachim Meyerhoff konkurrieren.

Weitere Aufführungen

am 3., 6., 8., 10., 11., 13., 14., 17., 20., 22., 23., 24. und 26. August, Telefon 0043/662/8045-500.

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