Vergiftetes Klima

von Redaktion

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft streitet mit ihrem Werbeträger Dieter Nuhr

VON RUDOLF OGIERMANN

„Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dient der Wissenschaft durch die finanzielle Unterstützung von Forschungsarbeiten“ – so heißt es in der Satzung des Vereins, der über einen aus Steuermitteln gespeisten Etat von gut drei Milliarden Euro verfügt. Kein kleiner Player also in der Welt der Wissenschaft. Als Gesicht einer Werbekampagne „Für das Wissen (entscheiden)“, die die DFG aus Anlass ihres 100. Geburtstags gestartet hat, konnte neben diversen Gelehrten, Politikern und Fernsehgesichtern wie Ranga Yogeshwar der Kabarettist Dieter Nuhr gewonnen werden. Auch mit seinem Statement wollte die DFG „ihre Überzeugung für eine freie und erkenntnisgeleitete Forschung in die Gesellschaft tragen“.

Doch die nur eine halbe Minute lange Sprachnachricht des 59-Jährigen, die die DFG via Twitter und auf ihrer Kampagnenwebsite verbreitete, erboste die Twittergemeinde so sehr, dass die Verantwortlichen sie bald wieder löschten, „um die Situation näher zu beleuchten“, wie es etwas nebulös hieß. Was die Wogen noch höher gehen ließ, denn jetzt wird nicht nur darüber diskutiert, wie wichtig Forschung für die Menschheit ist, sondern auch darüber, wie viel Meinungsfreiheit im Umfeld von Wissenschaft und Wissenschaftsförderung wohl erlaubt ist.

„Wissen bedeutet nicht, dass man sich zu hundert Prozent sicher ist, sondern dass man über genügend Fakten verfügt, um eine begründete Meinung zu haben“, hatte Nuhr gesagt – und dass sich die Faktenlage auch einmal ändern könne. Wissenschaft sei nämlich „keine Religion, die absolute Wahrheiten verkündet. Und wer ständig ruft: ,Folgt der Wissenschaft‘, hat das offensichtlich nicht begriffen.“

An und für sich nicht anfechtbar, diese Worte, doch der Spötter, der mit „Nuhr im Ersten“ eine eigene ARD-Sendung hat, ist nicht nur für die Anhänger von „Fridays for Future“ ein rotes Tuch, seit er Kritik an deren prominentestem Gesicht Greta Thunberg äußerte („Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein.“) Spätestens seitdem gilt er vielen als einer, der gerne die Vorurteile seines wissenschaftsskeptischen Publikums und der Klimawandelleugner bedient, wird gar als „Pseudokabarettist vom rechten Rand“ geschmäht.

Wohl auch deshalb fielen viele Kommentare bei Twitter so harsch aus. „Hochgradig peinliche Entscheidung, Dieter Nuhr als Werbefigur einzukaufen“, kritisierte beispielsweise Dietrich Herrmann. Mit einem, der „bestens über ,Klimahysterie‘ Bescheid weiß“, werde „Wissenschaft der Lächerlichkeit preisgegeben“, fand Jörg Prante. Übertrieben? Tatsächlich hatte Nuhr nicht nur in der Diskussion über die Klimapolitik, sondern auch in Sachen Corona polarisiert und sich noch im März skeptisch zu den Warnungen führender Virologen geäußert. Angesichts des schon im Raum stehenden Lockdown betonte er: „Ich würde einfach gerne auftreten!“

In seiner Sendung legte der Kabarettist nach und beklagte, er werde in Sachen Corona „wie ein Idiot behandelt“, längst hätten die Virologen „die Weltherrschaft übernommen“. Seine Kritik gipfelte in dem Satz, den sich wohl auch die Berliner „Freiheitskämpfer“ vom vergangenen Wochenende aufs Plakat hätten schreiben können: „Ich muss gehorchen, sonst kriege ich Hausarrest – das ist ein Verhältnis zwischen Regierung und Wahlbürger, das ich so noch nicht kannte.“

In seinem via Facebook verbreiteten Statement zur DFG-Entscheidung, seinen Beitrag auf der Homepage zu löschen, beteuerte Nuhr demgegenüber, „noch nie wissenschaftsfeindlich argumentiert“ zu haben, er sei jedoch stets „gegen den Missbrauch der Wissenschaft eingetreten“. Es sei „Grundbedingung von freier Forschung, dass unterschiedliche Thesen diskutiert werden“ Allerdings: „In der Öffentlichkeit wird Meinungsvielfalt zunehmend aktiv durch Denunziation unterdrückt. Einzelne Gruppen proklamieren unantastbare Wahrheiten, behaupten, die Wissenschaft sei auf ihrer Seite und behandeln entsprechend kritische Denker als Ketzer.“ Das sei „beängstigend“. Und die DFG, die sich zunächst noch für sein „wunderbares Statement bedankt“ habe, unterwerfe sich auch noch den „Krawallmachern, die im Internet systematisch an der Unterdrückung kritischer Stimmen arbeiten“.

Bei den Wissenschaftsförderern war man am Dienstag um Deeskalation bemüht – teils jedoch mit Worten, die Nuhrs Vorwurf, die DFG habe vor einem Shitstorm kapituliert, eher bestätigen als entkräften. Man habe sich nicht in der Lage gesehen „kurzfristig und während einer zum Teil aggressiven Twitter-Diskussion eine klare Einschätzung zu den Kommentaren vorzunehmen“, heißt es in einer Erklärung. Dafür, dass man den Beitrag ohne weitere Erläuterung und ohne den Autor zu informieren, entfernt habe, entschuldige sich die DFG. Doch immerhin stehe das Statement zur Kampagne „Für das Wissen“ weiterhin auf dem vereinseigenen Twitteraccount, „die Fortsetzung der Diskussion wurde ausdrücklich ermöglicht“.

„Hintergrundrecherchen“ hätten ergeben, dass Nuhr Teile seines Statements bereits in der „stark polarisierten Debatte zum Klimawandel“ geäußert habe. In dieser spezifischen Debatte Stellung zu beziehen, sei jedoch nicht Ziel der Kampagne. Man biete dem Kabarettisten an, seinen Beitrag „kommentiert“ wieder online zu stellen, nicht zuletzt um die Diskussion offen zu halten. Das lehnte Nuhr gestern jedoch ab: „Was soll das denn? Alle anderen sagen frei ihre Meinung und meine wird mit einer Warnung versehen wie eine Zigarettenpackung.“

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