In Tschechien sorgt eine Biografie über den Starautor Milan Kundera für reichlich Gesprächsstoff. Sogar Regierungschef Andrej Babis äußerte sich kritisch zu der Neuerscheinung des Autors Jan Novak. Viele erstaunt, dass es das erste Buch überhaupt über das Leben des 91-jährigen Schriftstellers ist.
1975 verließ Kundera die Tschechoslowakei, ging mit seiner Frau Vera in den Westen und begann in Frankreich ein neues Leben. Knapp zehn Jahre später wurde er mit dem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ international bekannt. Über sein vorheriges Leben hinter dem Eisernen Vorhang hüllte der nun in Paris lebende Kundera den Mantel des Vergessens.
Für sein 900-Seiten-Buch, das die Jahre bis 1975 abdeckt, befragte Jan Novak Zeitzeugen. Er nutzte auch die – als Quelle umstrittenen – Akten der kommunistischen Staatssicherheit. Novak schreibt, dass Kundera in Brünn (Brno) in gebildeten Verhältnissen aufgewachsen sei – der Vater Hochschulrektor, die Mutter Lehrerin. Er sei mit 18 Jahren der kommunistischen Partei beigetreten, wie viele andere seiner Generation „ein Tropfen in einer gigantischen roten Welle“.
In seinem Frühwerk finden sich Gedichte auf Stalin und den von den Nationalsozialisten ermordeten Antifaschisten Julius Fucik. Kundera, so heißt es in der Biografie, habe als Dozent an der Prager Filmhochschule das Vertrauen der Partei genossen. Erst nach dem Einmarsch der Sowjettruppen 1968 sei der Reformkommunist Kundera in Ungnade gefallen. Petitionen zur Freilassung inhaftierter Schriftsteller habe er indes nicht unterzeichnet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Kundera für Diskussionen sorgt. Vor zwölf Jahren holten Historiker ein Polizeiprotokoll hervor, demzufolge der Autor 1950 als Student einen US-Spion an die Behörden verraten habe. Dieser wurde zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. Kundera sprach von Lügen und einem „Attentat auf einen Autor“. Novak schenkt ihm wenig Glauben: „Kundera war zu dieser Zeit nach allem, was wir wissen, ein fieberhafter Stalinist.“ Einen deutschen Erscheinungstermin für „Kundera – sein tschechisches Leben und die Zeit“ gibt es nach Angaben des Argo-Verlags in Prag bislang noch nicht.