Zu seinem Wortgewitter passt die Musik nur bedingt. „Oberflächlich“ seien die Corona-Statistiken, schreibt Komponist Salvatore Sciarrino im Programmheft, Nachdenken sei „im Keim erstickt worden“. Und dann das: eine „Introduzione“ für zwölf Instrumente, mit der sich das Klangforum Wien und Dirigent Sylvain Cambreling in der Kollegienkirche am Nichts entlangtasten. Ein Horn-Solostück, mehr Etüde. Schließlich 13 Miniaturen für Bariton Otto Katzameier und Orchester auf Text-Fragmente zwischen Mauer-Inschriften und Rilke. Sciarrinos Intimität passt in die Salzburger Festspiel-Reihe „Fragmente – Stille“. Die will Kontrapunkt sein zum Repräsentativen, Raum- und Klangwirkung gehen eine Symbiose ein. Dass die Dauer-Diskretion allerdings sehr um sich selbst kreist, hört man auch.
Drei Stunden vorher der Gegenpol. Igor Levit ist mit dem Beethoven-Zyklus bei Folge fünf angelangt. Was beim Auftaktkonzert gelegentlich nervöser Furor war, hat sich nun gefestigt, ist wundersam zu sich selbst gekommen. Im Haus für Mozart gibt es eine Erkundung der früheren Klaviersonaten abseits der Hits. Nicht die Überdehnung von Strukturen, das Rütteln am Überkommenen ist zu erleben, sondern ein Spiel mit Formen, Floskeln und Prinzipien, ein Austesten von Möglichkeiten. Dass daraus viel Geistreiches entstehen kann, gerade wenn man sich der Sache mit Understatement nähert, glückt Levit auf einzigartige Weise.
Und dies nicht nur in der „Jagd-Sonate“. Keine Fratzen, kein Skurrilitätenkabinett, sondern ein feines Sensorium für Beethovens Mittel und der Beweis: Pointen wirken am besten, wenn man nicht selbst am meisten drüber grinst. Levit führt auch vor, wie aus Kontrasten in Nummer zwei und sieben enorme Intensität erwachsen kann. Ähnliches aus einer Feinstufung von Dynamik und Farben, am frappierendsten ebenfalls im Kopfsatz der siebten Sonate. Nicht der Revolutionär Beethoven tritt einem entgegen, sondern der direkte Nachfahre des Jongleurs Haydn. Insofern passt die Zugabe perfekt – ein Ragtime von Scott Joplin.