Selbst wenn man es gern täte. Auch angesichts der Diskussion, die um Lisa Eckhart aufgeflammt ist und sich einem Großbrand gleich durch Soziale Netzwerke und Feuilletons des Landes gefressen hat. Ihr erster Roman ist zu langatmig, als dass er Anlass böte, sich darüber aufzuregen. Und zu redundant. Die Autorin ist eine Wortkünstlerin, das stimmt. Doch führt sie in ihrem Erstling „Omama“ immer dieselben Kunststückchen vor.
Auf der Kabarettbühne funktioniert das. Wenn sie im Scheinwerferlicht auf einem Barhocker sitzt, das eine lange Bein über das andere lange Beine gelegt, gerade Schultern, diese Pose bis zur Pause eisern durchhält. Und mit allergrößter Herablassung und allerhöchster Noblesse noch die hinterfotzigsten Gemeinheiten von sich gibt, als seien das doch alles Allgemeinplätze. Die katholische Kirche, die Zeugen Jehovas, „der Jud’“, Frauen, „der Neger“, ja selbst dickleibige Kinder müssen bei ihr dran glauben. Hier gibt’s keinen Welpenschutz. Aber es geht eben auch um Atheisten, Christen, Männer, Deutsche, Magersüchtige. Das ist deshalb so bestechend gut, weil Eckhart keine Antichristin, Antisemitin, Rassistin, Chauvinistin ist. Das will die Eckhart: uns unsere eigene Liederlichkeit vor Augen führen. Denn wer am lautesten mitlacht, lacht am hässlichsten.
Ihr Humor kennt keine Grenzen – und eckt deshalb grenzenlos an. In Hamburg hätte sie beim Harbourfront Literaturfestival auftreten sollen. Doch die Veranstalter sagten ihre Teilnahme ab. Man habe Drohungen von linksextremen Gruppen erhalten. Später mussten sie einräumen, dass dies erfunden war. Der Fall versetzte Kulturschaffende in Aufregung. Im Zweifel, so die Kritiker, müsse man das Recht auf Meinungsfreiheit, das die Aussagen des Gesamtkunstwerks Lisa Eckhart decke (hinter dem die Künstlerin Lisa Lasselsberger steckt), mit Staatsgewalt verteidigen.
Sie selbst betont, dass ihr diese ja durchaus verkaufsfördernde Aufmerksamkeit kurz vor Erscheinen ihres Debüts überhaupt nicht gefalle. „Das kann doch niemand wollen: so viel Aufmerksamkeit nicht für den Inhalt des Romans, sondern für eine Ausladung. Die Menschen wollen Aufmerksamkeit, ich aber will noch traditionell Ansehen. Da ist ein großer Unterschied für mich“, kommentiert sie in typischer Lisa-Eckhart-Manier.
Und so wenden wir uns ihrem Roman zu und stellen fest: Das, was der preisgekrönten Poetry-Slammerin erst auf Kleinkunst-, jetzt auf allen großen Bühnen gelingt, glückt ihr in Buchform nicht. Diese fiktive Lebensgeschichte ihrer Großmutter – halb Hommage, halb Rufmord – geht über einen klamaukartigen Streifzug vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart in einem österreichischen Dorf, in dem viel getrunken, geschnackselt und gerauft wird, nicht hinaus.
Freilich, da sind ein paar ganz nette Spitzen. Wenn sie „Wetten, dass…?“ nachtrauert beispielsweise. „Jetzt sitzen sie alle wieder zu Hause, lecken an Buntstiften, blähen Kondome mit der Nase und üben ,Lindenstraßen‘-Folgen anhand des ersten Satzes zu benennen. Das taten sie natürlich schon, bevor es diese Sendung gab, doch niemand hätte sie darin ermutigt. Die Sendung war, wenn man so will, die mit Abstand humanste Irrenanstalt.“ Eckhart ist eine genaue Beobachterin und weiß ihre Beobachtungen auf amüsante Art in Worte zu fassen. Doch setzt sie dabei am häufigsten auf ihr liebstes Stilmittel: das Spiel mit den Gegensätzen. „Die in der Stadt haben Nachrichten. Hier am Land gibt es nur die Nachrede.“ Immer gleiche Wortspielereien tummeln sich in dem mit 384 Seiten zu lang geratenen Roman. Den man, traurig, aber wahr, nach wenigen Seiten selbst zur Seite gelegt hätte, stünde nicht der Name Eckhart auf dem Cover.
Doch sie ist ja erst 27. Da ist noch Luft nach oben. Und diese Frau so voller Geistesblitze, dass der nächste Roman-Versuch sicher mehr elektrisiert.
Lisa Eckhart:
„Omama“. Zsolnay Verlag, Wien, 384 Seiten; 24 Euro.