„Wir wollen etwas zurückgeben“

von Redaktion

Carolin Hartmann und Jonathan Müller über „Indien“ am Volkstheater

Eine Lärmkulisse aus Kaffeemaschine, Kreissäge, Trambahn. Die Proben im Garten des Münchner Volkstheaters werden durch Bauarbeiten und Restaurantgäste erschwert. Und wenn es heute Abend regnet? Wird drinnen gespielt. Dasselbe Stück zwar, aber unter völlig anderen Bedingungen: Die Lichtverhältnisse verschieben den Fokus für den Zuschauer. Die Auftritte und Abläufe variieren – eine große Herausforderung für die Konzentration der Schauspieler. Dennoch blicken Carolin Hartmann (32) und Jonathan Müller (35) gut gelaunt auf die vierte Premiere des Sommertheaters. Gemeinsam sind sie als Fellner und Bösel in „Indien“ von Josef Hader und Alfred Dorfer zu sehen.

Im Stück und Film mit Alfred Dorfer und Josef Hader reisen die Beamten Bösel und Fellner durchs Land und prüfen Gasthöfe. Was ist in dieser Inszenierung von Simon Solberg anders?

Carolin Hartmann: Wir sind Hygieneprüfer, wir stellen alles auf den Prüfstand: die Atomkraftwerke, die Autoindustrie, die Fleisch verarbeitende Industrie, … Jonathan Müller: … Kreuzfahrtschiffe, Skipisten, alles, was gerade in der breiten Öffentlichkeit infrage gestellt wird. Hartmann: Man darf nicht erwarten, dass man den Film sieht, wenn man kommt. Zumal es auch mit einer Frau besetzt ist. Es ist kein Alltagsbrei, es bleibt schon immer noch das Stück. Aber mit wahnsinnig vielen bunten Facetten.

Bösel, Fellner – wer ist wer? Und: Wer ist wie?

Hartmann: Ich bin Frau Fellner. Fellner ist sehr belesen, sehr intelligent, weiß alles, ein kleiner Ordnungstroll. Müller: Bösel ist ein bisschen verklemmt, lang und unglücklich verheiratet, Sexist, Rassist, aber auf der Suche nach dem guten Kern. Hartmann: Eigentlich ist er ein ganz Netter … Müller: … nur durch die Umstände ein bisschen schwierig geraten. Aber das ist auch der Komödie geschuldet.

Warum ist eine Freundschaft zwischen den anfänglichen Widersachern unumgänglich?

Müller: (Lacht.) Vielleicht gibt’s ja gar keine Freundschaft, sondern viel mehr! Hartmann: (Schmunzelt.) Wer weiß das schon!

Wie kommt man sich unter Corona- Bedingungen näher?

Hartmann: Es findet viel über die Entfernung statt, über den Wunsch nach Nähe. Wir sind sehr kreativ gewesen. Müller: Wir haben ein paar Lösungen gefunden. Die möchte ich aber nicht verraten. Das ist ja das Spannende an den neuen Vorgaben und vielen Verboten: dass man damit umgehen kann. Und da ist noch viel mehr möglich, als wir bisher in den Inszenierungen gesehen haben.

Das heißt, Sie können diesem Sommertheater mit all seinen Spielplanänderungen und Corona-Auflagen etwas Positives abgewinnen?

Hartmann: „Indien“ ist ein schöner Zufall gewesen. Müller: Ein reiner Glücksfall. Hartmann: Eine Tür geht zu, und eine andere geht auf. Müller: (Lacht.) Wie in Indien. Durch die Wiedergeburt, ein ewiger Kreislauf … Hartmann: Das Stück bietet einfach ganz viel: Es könnte eine Komödie sein, eine Romanze, vielleicht auch etwas total Weltkritisches. Es ist etwas zum Träumen, etwas zum Nachdenken. Müller: Es ist für jeden etwas dabei. Und unter den Sommertheater-Inszenierungen ist es das, was sich am stärksten mit der aktuellen Situation auseinandersetzt, inhaltlich und auch mit Inszenierungsmitteln.

Normalerweise wären jetzt Theaterferien. Aber das Volkstheater spielt, und das Haus ist innerhalb der begrenzten Möglichkeiten zu 99 Prozent ausgelastet.

Müller: Ja, viele Leute fahren nicht in den Urlaub, und es gibt hier ein Angebot, das angenommen wird. Ich finde es superwichtig, dass ein Ensemble, das angestellt ist bei der Stadt, auch etwas zurückgibt in dieser Zeit. Dass wir sagen: Wir sind hier und wir spielen für euch.

Das Gespräch führte Teresa Grenzmann.

Premiere

ist heute, 20.30 Uhr; Restkarten: 089/523 46 55.

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