Zum ersten Mal seit 1956 geht die Münchner Lach- und Schießgesellschaft im September ins Freie, und zwar in den Garten der Seidlvilla. Eine Kooperation, die Schule machen könnte, wenn es nach Kabarett-Chef Till Hofmann geht. Erfahrungen mit Kleinkunst unter den Sternen habe man mit dem Eulenspiegel Flying Circus im Hof des Deutschen Museums nun gesammelt, erklärte er im Rahmen einer Pressekonferenz auf dem Balkon der Villa. Das lauschige Ambiente mitten in Schwabing passt zum Titel der Veranstaltungsreihe Cabaret-Soiréen, ganz im Stil der Zwanzigerjahre.
Ab dem 1. September werden bis zum 28. September 19 solcher Abende gefeiert. Als Gastgeber fungiert in der Regel das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft mit Christl Sittenauer, Sebastian Fritz, Frank Klötgen sowie Regisseur und Autor Sven Kemmler. Letzterer freute sich über die schöne Atmosphäre: „Es ist ein wenig wie Kabarett in Hogwarts. Wir hoffen ja immer auf ein jüngeres Publikum. Vielleicht klappt es ja so.“ Ursprünglich hätte das neue Ensemble mit dem Stück „Aufgestaut“ im Herbst Premiere feiern sollen, indoor natürlich. Danach sieht es coronabedingt nun gar nicht aus, und so beschloss man, vorab bei den Soiréen Appetithäppchen zu servieren und dazu Gäste einzuladen. Da sind durchaus ein paar namhafte Kollegen dabei wie Luise Kinseher, Constanze Lindner, Severin Groebner, Ludwig Müller oder Michael Mittermeier. Es gibt aber auch einige Soloabende. Die Eröffnung am 1. September bestreitet zum Beispiel Thomas Maurer mit seinem Programm „Woswasi“.
Die einzigartige Kooperation mit der Seidlvilla sieht Till Hofmann auch als Einstieg in künftige ähnliche Zusammenarbeiten. „Es sieht nicht so aus, dass man in absehbarer Zeit den normalen Betrieb wieder aufnehmen kann.“ Da müsse man verstärkt nach außen gehen und sich auf die Suche nach neuen Auftrittsorten machen. Hofmann versteht dies als Aufruf an private Personen, Gesellschaften und Betriebe, die über bespielbare Flächen verfügen und einen Beitrag zum Erhalt der Kultur leisten wollen. „So einen Aufruf haben wir bereits gestartet für den Flying Circus auf Bayernebene und bekamen über 50 Zusendungen.“ Der Chef von Lustspielhaus, Vereinsheim und Lach & Schieß ließ auch keinen Zweifel daran, dass er nichts von der Warnung des Gesundheitsministers Jens Spahn hält, sich von Auftritten fernzuhalten. „Jeder Veranstalter nimmt die Hygieneregeln ganz genau. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir sie besser kennen als manche Behörde.“ Sowohl er als auch Kemmler warnten vor dem Sterben kleiner Bühnen. „Es wird nicht so sein, dass alle nach einer halbjährigen Pause wie aus einem Dornröschenschlaf aufwachen und dann einfach weitermachen“, so Kemmler.
Die Bühnen, die verschwinden, kommen meist nicht zurück, das weiß auch Hofmann, der daran erinnerte, dass München einst über 20 Off-Theater zählte. Davon seien jetzt gerade mal fünf übrig. Schuld seien Profitgier und Gentrifizierung. „Früher sind alle nach Schwabing gezogen, weil hier die Künstler wohnten. Die Künstler waren aber die ersten, die wieder ausziehen mussten.“ Grundsätzlich sei es längst an der Zeit, dass sich die Kultur ihren Raum zurückerobere. Dazu ist natürlich die Toleranz der Anwohnern nicht unwichtig. Das weiß Johanna Brechtken, Geschäftsführerin der Seidlvilla sehr wohl. „Die meisten Nachbarn unterstützen uns, einige sind sogar in unserem Verein.“ Anwohner zahlen für die Soiréen auch weniger Eintritt, zwölf statt 20 Euro. Das sollte die Akzeptanz noch weiter steigern.
Informationen:
1.-28. September; München Nikolaiplatz 1B;
Karten bei Münchenticket 089/54 81 81 81 oder www.muenchenticket.de.