Zur Hölle mit ihm

von Redaktion

Die Innsbrucker Festwochen zeigen die erste Don-Juan-Vertonung der Operngeschichte

Ein Schrei ist es meist, nach dem schockiert ausgestoßenen „Che inferno, che terror“. Dass sich die Hölle tatsächlich öffnet, hätte der Womanizer wohl nicht gedacht. Doch hier: ein Lamento, eine innigliche Melodie und eine Einsicht – wenn dies die Strafe für alle Untaten sein soll, dann ist es halt so. Am Ende noch eine Begegnung mit Unterwelt-Fährmann Caronte, der den Übeltäter in Innsbruck kurzerhand als Müll im Einkaufswagen entsorgt. Aber wir sind ja auch nicht bei Mozarts Mega-Oper, sondern bei Alessandro Melani.

Dem Italiener, geboren 1639 in Pistoia, gestorben 1703 in Rom und zwischenzeitlich sogar Papst-Günstling, gebührt der Ruhm, die erste Don-Juan-Oper komponiert zu haben. Bei „L’empio punito“ (Der bestrafte Bösewicht) spielt zwar alles in Mazedonien und nicht in Sevilla, das Personal ist allerdings wohlbekannt. Don Giovanni hört auf den Namen Acrimante, ist noch eine Spur skrupelloser. Diener Leporello wird Bibi genannt, die verlassene Gattin des Titelhelden heißt nicht Donna Elvira, sondern Atamira. Es gibt überdies einen König, eine anders gelagerte Paar-Struktur, einen Beinahe-Tod Acrimantes (was sich als Verabreichung eines Schlafmittels entpuppt) und natürlich eine Statue, die er fatalerweise zum Essen einlädt.

Die Innsbrucker Tage der Alten Musik setzen damit ihren aufregenden Weg fort. Wie kürzlich im Falle von Paërs „Leonora“ statt Beethovens „Fidelio“ (wir berichteten) gibt’s nun ein weiteres Werk, das von einem großen Bruder verdrängt wurde und dem Rettung widerfährt. Was das alles mit der Stadt unter der Nordkette zu tun hat? Komponist Alessandro Melani hatte einen prominenten Bruder, den Kastraten Atto Melani. Der war am Innsbrucker Hof engagiert und so einflussreich, dass er sich zusätzlich als Spion verdingte.

Das ist also mehr als das simple Ansetzen einer Festival-Premiere. Man nimmt einiges mit an Musik- und Gesellschaftsgeschichte aus dieser Aufführung, für die der Nachwuchs verantwortlich ist. Traditionell werden für die Produktion der „Barockoper Jung“ Preisträger des vorjährigen Cesti-Wettbewerbs engagiert. Und: Es gibt im akustisch hervorragenden Haus der Musik sogar eine Inszenierung. Regisseurin Silvia Paoli lässt alles vor, hinter und über drei betonartigen Wänden (Bühne: Andrea Belli) spielen. „L’empio punito“ wird bei ihr zur munteren Studie über Determination, über die Abhängigkeit von höheren Mächten. Immer wieder wuseln Amoretten durchs Bild, die Alessandro Melanis Figuren an Marionettenseilen führen. An Mazedonien denkt keiner, Dirndl, Lederhose und barockes Wams (Kostüme: Valeria Donata Bettella) bieten eine Melange aus Tirol und Andalusien. Dass diese Oper zur Schablonenhaftigkeit neigt, wird verstärkt. Die Personen wirken wie der Commedia dell’arte entlaufen, alles ist eine Spur zu aufgekratzt, zu humorig – als ob „L’empio punito“ nicht Seelen- und Nachdenkräume eröffnete.

In Melanis Oper, ein Barockstück à la Cesti oder Cavalli, gleiten Arien, Ariosi und Rezitative ineinander. Die Nummern-Taktung (und damit das Stück-Tempo) ist hoch, wohl auch bedingt durch die Innsbrucker Kürzungen. Das Barockorchester:Jung unter Mariangiola Martello am Cembalo hat hörbar Spaß an den Rhythmen, vor allem an den Farbwirkungen. Melani schafft es, mit wenigen Instrumentalzutaten ein reiches, variables Klangbild zu zaubern. Das vokale Niveau ist ortsüblich hoch. Drei Solisten seien hervorgehoben: Mezzosopranistin Anna Hybiner in der Kastratenrolle des Acrimante gestaltet flexibel, raumgreifend und mit virilen Beimischungen. Sopranistin Theodora Raftis (Atamira) kann Feinzeichnung im Lyrischen mit herbem Tragödienton verbinden. Joel Williams als männliche Amme Delfa verfügt über eine leicht ansprechende, kernige Stimme – diesem Tenor würde man gern bei Mozart begegnen. Womit sich der Don-Giovanni-Kreis geschlossen hätte.

Informationen:

weitere Aufführung heute; die Festwochen dauern bis 30. August; Kartenverkauf und Programm unter www.altemusik.at.

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