Espresso und Kamillentee

von Redaktion

INTERVIEW  Robert De Niro über Gefühle, doofe Filme und Donald Trump

Ein Mann, den man nicht mehr vorstellen muss: Robert De Niro gilt als einer der besten Schauspieler aller Zeiten. Diesen Ruf hat er sich mit Kinoklassikern wie „Taxi Driver“, „Der Pate – Teil 2“ oder „Wie ein wilder Stier“ erworben. Ab 28. August ist sein neuer Film „Immer Ärger mit Grandpa“ auf diversen Internet-Plattformen verfügbar. Beim Festival von Marrakesch, wo der 77-Jährige einen Ehrenpreis bekam, trafen wir ihn zum Interview im Nobelhotel „La Mamounia“, das fast so legendär ist wie er. Der zweifache Oscargewinner trug ein unauffälliges dunkles Hemd und eine Hose in dezentem Rentner-Beige. Anfangs machte er nicht viele Worte, dafür  umso  mehr Gesten, garniert mit häufigem Stirnrunzeln und Achselzucken. Doch als das Gespräch auf den US-Präsidenten kam, sprudelten die Sätze nur so aus ihm heraus.

Wie beginnt man als lebende Legende seinen Tag? Was frühstücken Sie normalerweise?

Nicht viel. Meistens nur einen kleinen Müsliriegel und einen Espresso.

Das Getränk in der Tasse, die vor Ihnen steht, sieht eher aus wie Tee.

Korrekt. Es ist Kamillentee. Koffein und Kamille sind für mich die perfekte Kombination, um durch den Tag zu kommen: Das eine gibt mir einen ordentlichen Energieschub, das andere beruhigt mich.

Fühlt man sich als Legende manchmal einsam?

Ja, vor allem, wenn ich – wie jetzt – ohne meine Familie unterwegs bin.

Man kennt Sie aus Ihren Kinofilmen als knallharten Kerl. Aber als Sie in Marrakesch Ihren Ehrenpreis entgegennahmen, kämpften Sie mit den Tränen.

Ja, ich bin ein ziemlich sentimentaler Hund.

Sind  Sie mit zunehmendem Alter emotionaler geworden?

Ich war schon in jungen Jahren verdammt emotional! Aber ich habe in der Tat festgestellt, dass ich sentimentaler bin als früher – vielleicht, weil mir bewusst ist, dass alles irgendwann zu Ende geht.

Warum sieht man Sie seit einigen Jahren häufig in derben Komödien wie „Dirty Grandpa“ oder „Immer Ärger mit Grandpa“?

Seien wir ehrlich: Diese Filme sind Selbstläufer. Sie räumen an der Kinokasse ab. Das Geld, das ich mit diesen Filmen verdiene, kann ich wieder in relevantere Projekte investieren.

Haben Sie sich bei Dreharbeiten schon mal in eine Kollegin verknallt?

Ach, wissen Sie… (Druckst herum.) Es ist nicht so, wie man sich das vielleicht als Außenstehender vorstellt. Beim Drehen von irgendwelchen Liebesszenen sind alle Akteure gehemmt, weil viele Leute drum herumstehen.

Haben Sie in Hollywood Fälle von sexueller Belästigung mitbekommen?

Nein. Ich hatte zwar von der berüchtigten „Besetzungscouch“ gehört, aber eher darüber gewitzelt – ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Menschen so furchtbare Sachen machen, nur um jemanden ins Bett zu bekommen. Das schockierende Ausmaß des Problems wurde mir erst durch die #MeToo-Bewegung klar. Ein solcher Machtmissbrauch ist absolut indiskutabel. Höchste Zeit, dass wir alle wachsamer sind und entschieden dagegen vorgehen!

Haben Sie Regisseure erlebt, die sich am Set wie Tyrannen aufführten?

Also, zu mir waren eigentlich alle immer ganz nett…

Waren sie durch Ihre Präsenz eingeschüchtert?

Hoffentlich nicht! Ich habe gar kein Interesse daran, jemanden einzuschüchtern. Wir sollten uns doch alle gegenseitig unterstützen. Wenn ich beobachte, dass ein Regisseur jemanden schlecht behandelt, dann weise ich ihn darauf hin, dass das nicht in Ordnung ist und zu keinem guten Ergebnis führt. Machtspielchen haben am Set nichts verloren – die Arbeit ist kompliziert genug.

Dabei haftet Ihnen der Ruf an, dass Sie es manchem Regisseur nicht gerade leicht gemacht haben…

Wirklich? Ich finde nicht, dass ich schwer zu handhaben bin. Meine Philosophie war stets simpel: Dramen gehören auf die Leinwand, nicht an ein Filmset. Wenn ich allerdings finde, dass etwas in die falsche Richtung läuft, dann äußere ich diese Meinung auch.

Martin Scorsese hat in seiner Laudatio über Sie gesagt, Sie hätten in Ihren Filmen schon „Psychopathen, Soziopathen und alle möglichen anderen Arten von Paten“ gespielt. Würden Sie gern Donald Trump verkörpern?

Nein, auf keinen Fall. Für jede Filmfigur, die ich spiele, muss ich so etwas wie Mitgefühl empfinden können: Ich beschäftige mich so lange mit ihr, bis ich etwas entdecke, das nachvollziehbar ist und an das ich emotional anknüpfen kann. Bei Trump versuche ich jeden Tag aufs Neue, mich in ihn hineinzuversetzen und etwas zu finden, das mir einen Funken Mitgefühl abringt, doch es gelingt mir nicht – der Kerl ist mir in jeglicher Hinsicht zutiefst unsympathisch. Er steht für Gier, Egozentrik und Fremdenhass. Er ist nicht nur ein substanzloser Wichtigtuer und Hochstapler, sondern auch ein waschechter Rassist: eine Pest für unser Land. Natürlich verfügt er nicht über die geistigen Fähigkeiten, um größere Zusammenhänge zu begreifen, aber er zeigt ja noch nicht einmal ansatzweise den guten Willen, das Richtige zu tun und drängende Probleme zu lösen. Seine ganze Familie ist nichts weiter als ein korrupter Gangster-Clan. Doch während die meisten Ganoven, selbst die übelsten Mafiabosse, wenigstens noch so etwas wie einen Ehren- und Moralkodex kennen, hat Trump nichts dergleichen zu bieten: kein Gewissen, keine Ethik, keinen Sinn für Gut und Böse. Deshalb taugt er auch absolut nicht zu einer interessanten, vielschichtigen Bösewicht-Figur – er ist einfach nur banal. Ich verspüre wirklich nicht die geringste Lust, ihn jemals in einem Film zu verkörpern!

Das Gespräch führte Marco Schmidt.

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