Dieses Interview führten wir am hochsonnigen Sonntag, 8. August, um 16 Uhr. Vier Stunden später wird Helge Schneider das erste von zwei Konzerten im Innenhof des Deutschen Museums geben. Was man dem Vollprofi natürlich nicht anmerkt. Tiefenentspannt wie immer, an einem Apfel knabbernd, sein Wohnmobil gleich in der Nähe. An diesem Sonntag wird der Musiker, Humorist, Schauspieler, Regisseur, Autor, sechsfache Vater und was sonst noch alles 65. Ein Gespräch an der Isar.
Hinter Ihnen ist das Pestalozzi-Gymnasium für musikalisch Hochbegabte, gleich dahinter das Geburtshaus Karl Valentins. Haben Sie das gewusst?
Ja. Jetzt weiß ich’s.
Seit wann kurven Sie denn auf Tournee mit einem Wohnmobil herum?
Seit den Achtzigern. Mein erstes Auto zuvor war ein Peugeot 404 für 1000 Mark, dann kam ein Combi-Peugeot für 1800 Mark. Ich hab’ alle Modelle durch von 1927 bis 2000.
Sie sind Franzosen-affin? Das wusste ich gar nicht…
Nicht wirklich. An der Grenze wurde ich mal vier Stunden lang gefilzt. Ich hatte ein spanisches Nummernschild, weil ich dort ein kleines Häuschen habe, und nur eine Zahnbürste dabei. Das war wohl zu verdächtig. Die Grenzer haben den Wagen auseinandergenommen. Ich war danach so gestresst, dass ich meine spanische Gitarre und meine Gibson vergessen habe. Sauerei. Seitdem weiß ich, was man sich denken muss.
Was?
„Die finden das nie.“
Stimmt es, dass Sie als Jugendlicher Drogen genommen haben?
Ja. 1968 war ich 13 – rauchen war normal. Ich lernte Leute kennen, die auch Haschisch konsumiert haben. Aber mehr habe ich nie genommen und auch bald wieder aufgehört. Kiffen macht doof und arrogant. Alle Drogen sind doof.
Und zugekifft Wohnmobil fahren, wäre wahrscheinlich für die anderen auch kein Spaß.
Sicher nicht. Ich mag das Fahrgefühl. Schneller als 100 darf man eh nicht, Hektik verbreitet sich da nicht. Man kann sich auch mal ausstrecken. Gehen die jetzt echt in die Isar? Die Leute da unten?
Ja, aber hoffentlich nicht zu weit rein. Die Isar heißt nicht umsonst „die Reißende“.
Nicht, dass ich die jetzt noch retten muss mit meinem DLRG-Ausweis. Bei der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft lernt man das Abschleppen im Wasser. Und übers Wasser zu gehen. Was doch eine gute Geschichte wäre: Hier geht Helge übers Wasser und rettet einen Ertrinkenden.
Aber bitte mit Maske.
Ich bin oft geheim unterwegs. Mit Maske oder mit Motorradhelm oder im Skidress, so werde ich nicht erkannt. Neulich war ich mit meinen Kindern in Oberhausen im Einkaufszentrum. Mit Maske. Ein schreckliches Erlebnis. Aus dem konstruierten Einerlei dieser Malls ist mittlerweile eine tote Hose geworden.
Fahren Sie denn Ski?
Nicht mehr. Ich bin zwar kein Preuße, sondern Ruhrgebietler, aber ihr Bajuwaren macht da ja keinen Unterschied. Ich erinnere mich mal, wie ich in ein Lederhosengeschäft bin und zwei Männer fragte, ob sie für mich etwas Passendes hätten.
Und?
Der eine Mann erwiderte, ohne auch nur aufzublicken: „Für deralei Preißn hamma nix.“ Dabei haben wir als Kinder viel Urlaub in Bayern gemacht. Am Waginger See. In Kirschstein wurden mir beim Meister Meindl zwei Knickerbocker nach Maß gemacht. Nach Maß! Das muss man sich mal vorstellen. Die habe ich durchgehend getragen, bis ich 13 war.
Waren Sie damit nicht das Gespött der Schule?
Ich war auch so immer Außenseiter. Rothaarig.
Und heute eher grau.
Das ist gefärbt.
Die Krawatte ist allerdings nicht nachgefärbt, oder?
Schön, nicht? Ich kann sie auch binden… So… und so…
Ist die nicht ein bisschen dick fürs Konzert?
Ich liebe die Hitze, das macht mir nix aus. Von den Beduinen habe ich gelernt, dass…
Von den Beduinen?
Ja, ich wollte früher mal Architekt werden und war mit 15 zwei Jahre beruflich in Mauretanien, Westafrika, wo ich auf eine Baustelle geschickt wurde. Da habe ich gelernt, mich mit der Hitze gut zu arrangieren. Eine kleine Schweißschicht auf der Haut ist angenehm, dazu trinke ich im Sommer heißen Tee. Warmes Bier ist auch gesund, am besten mit Tauchsieder.
Noch was?
Ja, ein Reiskorn rein und Zitrone. Aber ich trinke bei euch nur Helles, kein Weißbier. Das mag ich nicht so gerne, und es polstert auf.
Apropos Polster: Kochen Sie denn im Wohnmobil?
Ja, so was wie Irish Stew geht immer, ich habe allerdings keinen Ofen. Doch wissen Sie, was ich hier am liebsten esse? Eine viertel knusprige Ente mit Klößen und Rotkohl. Und hinterher einen Kaiserschmarrn mit Apfelmus. Schön fluffig. Dazu nimmt man einen Schuss Mineralwasser. Wenn ich in diesem himmlischen, herrlichen, weiß-blauen Rautenland gastiere, dann muss das sein.
Zurück zur Krawatte…
Richtig. Eine schottische Krawatte, passend zu meiner Herkunft. Meine Eltern sind Schotten und wurden als Kinder in den Dreißigerjahren eingedeutscht.
Wir nehmen an, dass Sie auch mit 65 nicht mit Auftritten geizen werden?
Ich will und werde nicht aufhören, dazu macht das zu viel Spaß. Außerdem habe ich mir in München ein 60-Quadratmeter-Appartement gekauft. Deshalb muss ich mindestens 40 Jahre weitermachen.
Das Gespräch führte Matthias Bieber.
Auftritte
am 25. und 26. September mit neuem Programm „Helge – nur für Dich“ im Deutschen Museum; Karten: www.eulenspiegel-concerts.de.