Reporter des Massakers

von Redaktion

NEUERSCHEINUNG  Stephen Kings Buch „Blutige Nachrichten“ umfasst vier Kurzromane

Es sind erschütternde Nachrichten, die da aus der beschaulichen Gemeinde Pineborough in Pennsylvania dringen. Um nicht zu sagen: blutige Nachrichten. An einer Schule explodiert in der Vorweihnachtszeit eine Bombe. Ein als Postzusteller verkleideter Mann mit Schnurrbart hat sie als Weihnachtspäckchen dort platziert. Die Explosion ist so heftig, dass noch in einer Meile Entfernung Fensterscheiben zerbersten. Dutzende Kinder sterben, viele mehr werden verletzt. Während die Opfer noch unter Trümmern verschüttet liegen, rollen die Übertragungswagen an. Schließlich verkaufen sich blutige Nachrichten gut. Der Lokalreporter Chet Ondowsky, WPEN, Kanal elf, ist als Erster da. „Es ist furchtbar, eine furchtbare Tragödie“, ruft er ins Mikrofon, das er mit zitternden Händen hält. Aber irgendetwas stimmt nicht.

Stephen Kings „Blutige Nachrichten“ umfasst vier Kurzromane, die ein breites Spektrum an Fürchterlichkeiten abdecken und die dem Leser eine angenehme Dosis Gänsehaut verpassen. Mit der titelgebenden Geschichte setzt King (Foto: Evan Agostini/Invision/AP/dpa) seinen 2018 veröffentlichten Roman „Der Outsider“ fort. Man muss ihn aber nicht gelesen haben, um die Kurzgeschichte verstehen zu können. Heldin ist die sympathisch-schüchterne Holly Gibney, die bisher meist nur eine Statistenrolle in Kings Krimis hatte. Entsetzt sitzt sie vor dem Fernseher und sieht sich die Sondersendungen zu dem Schulmassaker an. Aber neben dem Schock lässt sie der Gedanke nicht los, dass der Reporter seltsam ist. Hatte er nicht in der vorherigen Schalte noch ein Muttermal?

In „Blutige Nachrichten“ geht es mehr um Detektivarbeit als um übernatürlichen Horror und Hokuspokus. Andere Kurzgeschichten in dem Buch haben mehr Spuk zu bieten, und der Grusel ist so klassisch, wie man ihn von King eben kennt. „Mr. Harrigans Telefon“ erzählt von Craig, der sein Taschengeld aufbessert, indem er dem alten Mr. Harrigan im Haushalt hilft. Der wohnt im Haus auf dem Hügel, ist stinkreich und gilt als unbarmherzig. Craig mag ihn trotzdem. Nachdem er im Lotto gewonnen hat, schenkt Craig dem Alten sogar ein neues iPhone. Der ist begeistert von dem Apparat, der in die Hosentasche passt und doch die Welt verändern wird. Das Handy liegt auch neben ihm, als der alte Mann schließlich in seinem Sessel im Wohnzimmer das Zeitliche segnet. Mr. Harrigan nimmt sein Mobiltelefon mit ins Grab – was Craigs ganzes Leben verändern wird. Auch in der Erzählung „Chucks Leben“ lauert der Tod – natürlich auf ungewöhnliche Weise. Ähnlich beunruhigend ist „Die Ratte“.

Stephen King (72) schreibt seit mehr als vier Jahrzehnten Horrorgeschichten – und er macht keine Anstalten, damit aufzuhören. Er produziert Grusel am laufenden Band, bleibt seinem Stil treu und schafft es immer noch, seine Leser zu erschrecken. In seiner neuen Kollektion rückt er vielschichtige Protagonisten in den Mittelpunkt mit all ihren Sehnsüchten, Schwächen und Ängsten. Es geht um Erniedrigungen im Alltag und um die Tücken moderner Technik.

Stephen King:

„Blutige Nachrichten“. Aus dem Englischen von Bernhard Kleinschmidt. Heyne Verlag, München, 560 Seiten; 24 Euro.

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