Münchens Komödie lebt

von Redaktion

Christine Neubauer, Sigmar Solbach und Anatol Preissler zu „Halbe Wahrheiten“

Für die Münchner Komödie im Bayerischen Hof ist das amüsante Verwirrspiel „Halbe Wahrheiten“ von Sir Alan Ayckbourn (Jahrgang 1939) die erste Premiere nach dem Lockdown. Neben Thomas Stegherr und Julia Uttendorfer stehen zwei bekannte Namen auf der Besetzungsliste: Christine Neubauer und Sigmar Solbach. Wir trafen die Schauspielstars sowie Regisseur Anatol Preissler auf der Probebühne in Pasing.

Am 9. September geht es los. Vorfreude?

Solbach: Es sind gemischte Gefühle. Einerseits ist da die große Freude, wieder arbeiten zu können. Andererseits schwebt über allem bis zuletzt ein Fragezeichen.

Wenn es denn klappt, spielen Sie vor reduziertem Publikum mit 170 Plätzen. Macht das für Sie als Schauspieler einen Unterschied?

Solbach: Natürlich haben wir es lieber, ein volles Haus vor der Nase zu haben. Aber selbst wenn da unten nur zwei Menschen oder gar einer sitzt, der wirklich zuhört, wirklich Freude daran hat, dann gebe ich für diesen einen alles. Neubauer: Genau. Von der Emotion und der Leistung her wird jeder gleich behandelt. Preissler: Wir dürfen die Kultur auch nicht verstecken! Doch bei aller Vorfreude aufs Theater wird einem immer wieder klar: Wenn sich hier einer ansteckt, bricht die ganze Produktion von heute auf morgen zusammen! Solbach: Respekt an dieser Stelle vor dem Intendanten, Thomas Pekny, der dieses Risiko eingeht. Ob er die Investitionen in das Stück wieder reinbekommt, ist die große Frage. Aber auch er sagt: Wir wollen ein Zeichen setzen, wir sind noch da, vergesst uns nicht, das Theater lebt.

Was haben Sie denn während des Lockdowns gemacht? Frau Neubauer, Sie waren auf einem Pferdehof in Schleswig-Holstein?

Neubauer: Ja, mein Lebensgefährte und ich haben auf dem Hof von Freunden gearbeitet. Sie mussten den Ponyhof komplett dichtmachen. Wir haben geholfen, haben uns um die 30 Pferde gekümmert, als Bauarbeiter assistiert – wir durften uns richtig auspowern.  Das  tat auch der Psyche gut. Solbach: Der Frühsommer bis hinein in den Herbst ist eigentlich immer die Zeit, in der sich meine Frau und ich auf unser Segelboot zurückziehen. Das liegt momentan in der Türkei. Das fiel natürlich flach und so waren wir hauptsächlich zu Hause. Ich habe meine Frau, die ja Malerin ist, unterstützt.

Man hatte plötzlich viel Zeit. Haben Sie neue Dinge für sich entdeckt?

Solbach: Aufräumen. (Lacht.) Neubauer: Ja, genau. Und ich habe alle Fenster in meiner Altbauwohnung in Berlin geputzt. Die sind drei Meter hoch – Doppelverglasung! Aber ich brauchte diese körperliche Bewegung. (Lacht.) Aber ich muss auch mal anmerken: Mich hat die Aussage, Kultur sei nicht systemrelevant, sehr getroffen. Das war heftig: Wo soll man denn hin, wenn man hier nicht relevant ist? Und ich habe viele Kollegen, die bei aller freien Zeit echte Sorgen haben, wie es im Alltag weitergehen soll.

Und da kommen Sie jetzt mit dieser launigen Produktion heraus. Wie schnell haben Sie verstanden, wer da mit wem anbandelt?

Solbach: Das ist ein Verwirrspiel par excellence, sehr reizvoll. Aber dank unseres Regisseurs steigt man schnell durch, wer was wann und wie. Aber es bleiben eben auch „Halbe Wahrheiten“. Neubauer: Man sollte gut zuhören! Es gibt viele Feinheiten und Nuancen im Text. Das geht alles – klapp, klapp, klapp – ineinander. Berieseln ist nicht. Preissler: Die Dialoge sind extrem raffiniert gebaut. Auf der einen Seite klingen sie so alltäglich: Jeder hat einen dieser Sätze benutzt. Aber die Haltung dahinter macht es aus.

Haben Sie ein Beispiel?

Preissler: Die Ehefrau sagt: „Ich  kann dich beruhigen, Florian hat mir keinen Heiratsantrag gemacht.“ Damit wischt sie sämtliche Bedenken vom Tisch. Wenn man aber den „Florian“ anders betont, impliziert es doch, dass zehn andere sehr wohl einen Antrag gemacht haben könnten. Da sind wir bei der Zweideutigkeit. Solbach: Was Anatol gerade beschrieben hat, erfordert höchste Feinarbeit. Wir haben uns im Vorfeld dafür viel Zeit genommen, haben überlegt und diskutiert, was steckt dahinter? Wo ist der doppelte Boden? Das genieße ich aus tiefstem Herzen.

Ihre Figuren haben es faustdick hinter den Ohren …

Neubauer: Wieso? (Lacht.)

Fällt es leicht, sich in diese Rollen fallen zu lassen?

Solbach: Das ist Teil des Berufes. Es ist völlig egal, ob ich persönlich so handeln würde.

Würden Sie denn?

Neubauer: Sigmar, du wirst ab jetzt von Journalisten immer die Frage gestellt bekommen, wie du es mit den Wahrheiten hältst. Preissler:  Die  beiden  müssen natürlich ganz stark gegen ihren  Typ  spielen.  (Grinst.) Solbach: Genau.

Sie hatten im vergangenen Jahr Ihren Abschied vom Fernsehen verkündet.

Solbach: Ganz so ist es nicht. Ich habe gesagt, dass ich die Rollen, die mir derzeit angeboten werden, nicht mehr spielen mag. Wenn ein Rollenangebot käme, das mich wirklich reizt, würde ich wahrscheinlich ja sagen.

Und wann sehen wir Sie wieder im TV?

Neubauer: Ich sollte jetzt im Kino im neuen Eberhofer-Krimi auftreten, aber das ist ja wegen Corona verschoben. Und ich werde für einen österreichischen Film vor der Kamera stehen.

Wer Sie also mal wieder erleben möchte, sollte jetzt ins Theater gehen.

Preissler: Es würde sich lohnen. Und das ist die ganze Wahrheit.

Das Gespräch führte Katrin Basaran.

Vorstellungen

vom 9. September bis 1. November; Karten unter www.komoedie-muenchen.de oder 089/29 28 10.

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