Lebendiges Theater

von Redaktion

Die Saison beginnt mit der „Zauberflöte“

Das Staatstheater am Gärtnerplatz öffnet wieder seine Pforten zur neuen Spielzeit. Das Motto dafür scheint klar: „Ist es nicht das Wesen der Kunst, alles Tote wieder lebendig zu machen?“ Dieser Satz von Peter Turrini prangt auf Plakaten und scheint dem Gärtnerplatztheater heilige Pflicht. Und zugleich wirkt er wie eine Mahnung!

Wie lebendig Kunst sein kann, wie unmittelbar und echt, das bewies das Haus mit der Wiederaufnahme von Mozarts „Zauberflöte“ eindrucksvoll. Regelmäßige Coronatests für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf und hinter der Bühne kann sich das Theater nicht leisten. Es wird auf Eigenverantwortlichkeit gesetzt, überall im Gebäude gilt strenge Maskenpflicht, auf der Bühne werden Abstände eingehalten.

Spielleiter Ferdinand Hofmann und dem Ensemble gelingt das Husarenstück, dass man Letzteres eigentlich nicht merkt: Die Inszenierung von Rosamund Gilmore wurde gekonnt adaptiert und das Bühnenbild so verändert, dass die Seiten und die Decke in Richtung Schnürboden offen sind, zur besseren Belüftung. Die Auftritte finden allesamt von der Seite statt. Fehlende Berührungen oder Küsse werden nicht peinlich auf die Ferne angedeutet, sondern es entstehen ganz neue Bewegungsabläufe.

Papageno – Daniel Gutmann mischt dem lustigen Naturburschen gekonnt eine Prise Melancholie bei, was die Figur erst voll zur Geltung bringt – wird hier stolpernd, purzelnd, rasend noch mehr zum Energiezentrum als üblicherweise. Das Ballett ist in den spukhaften Tiermasken ein weiterer Aktivposten.

Jede und jeder auf der Bühne ist geladen bis in die Haarspitzen. In jeder Sekunde ist spürbar, wie sehr alle wollen, wie unendlich viel Lust sie haben, Theater zu spielen. Judith Spießer ist bei ihrem Rollendebüt eine zarte, vokal agile Pamina mit leuchtender Höhe. Aleksandra Jovanovic hat die sternflammende Königin unter anderem schon an der Wiener Staatsoper und der Deutschen Oper Berlin gesungen. Trotzdem kämpfte sie bei den gefürchteten hohen Fs etwas mit den Nerven. Ganz im Gegensatz zu Gyula Rab, der den Tamino traumwandlerisch sicher meisterte – zwar etwas hüftsteif in der Darstellung, aber dafür stilistisch höchst geschmackvoll. Alexandros Tsilogiannis lässt als phonstarker erster Geharnischter aufhorchen – hier steht schon der nächste Tamino parat. Sava Vemić zeigt als Sarastro beeindruckendes Material. Mit erst Anfang 30 hat der hoch aufgeschossene, schlanke Bass noch Zeit, seiner Stimmführung und nasalen Technik die Noblesse zu verleihen, die seine Darstellung bereits hat. Bemerkenswert sauber singen die drei Knaben (Zeno Böhmler, Amelie Spielmann, Anna Fiona Metzger). Das Gärtnerplatztheater hat Talente im Kinderchor, die andernorts teuer eingekauft werden müssen. Und wohl dem Haus, das ein Damentrio wie Mária Celeng, Anna-Katharina Tonauer und Anna Agathonos in seinen Reihen hat.

Kürzungen muss das Publikum so gut wie nicht in Kauf nehmen. Allerdings sind sowohl der Chor als auch das Orchester stark reduziert, der Abstände wegen. Was die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Michael Brandstätter – jedes Pult ist solistisch besetzt! – an diesem Abend leisten, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Wie oft wird über den „Zauber der Musik Mozarts“ schwadroniert – hier wird er erlebbar: durch Qualität, Begeisterung und Teamgeist.

Spätestens wenn die Kinder im Publikum beim Erkennen bekannter Melodien aufgeregt zu Wispern anfangen, in der Pause mit der Mama Popcorn essen und begeistert von der Aufführung reden, wird klar: Theater muss wieder lebendig werden. Es geht um nichts weniger als unser kulturelles Erbe. Das sollte allen Entscheidungsträgern klar sein, wenn es um Lockerungen in der Kultur geht. Dass nun das Gärtnerplatztheater wieder da ist, ist ein wertvoller Schritt. MAXIMILIAN MAIER

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