„Ein toller Fastnachtsspuk“

von Redaktion

Im Münchner Beck Verlag legt Marita Krauss die Lebensgeschichte der Ludwig I.-Favoritin Lola Montez vor

VON ULRIKE FRICK

Ihre Karriere als spanische Adelige Maria de los Dolores Porrys y Montez hat die gebürtige Irin Elizabeth Rosanna Gilbert spät begonnen. 22 Jahre alt war die Dame bereits. Mitte des 19. Jahrhunderts galt das nicht mehr als taufrisch. Geschieden war sie obendrein. Was ihre Chancen, innerhalb der moralinsauren viktorianischen Gesellschaft noch einmal reüssieren zu können, nahezu unmöglich machte. Doch von ihrem ersten Auftritt als angeblich direkt aus Sevilla importierte Tänzerin dominierte die Kunstfigur Lola Montez die Schlagzeilen. Spanien war in Mode, und aus der in Indien groß gewordenen Offizierstochter Eliza mit dem irischen Stammbaum wurde flugs die umschwärmte Tänzerin, die auf den Bühnen der Welt zuhause war.

Die Vorstellungen der bildschönen Frau waren skandalös, ihr Benehmen auch. Beim ersten Besuch Münchens lehnt der Hoftheaterintendant August Freiherr von Frays daher ein Auftrittsgesuch der Künstlerin glatt ab. Als der bayerische König Ludwig I. (1786-1868) die legendäre Lola Montez (1821-1861) dann wenig später kennenlernt, ist er schon 60 Jahre alt und sie nicht einmal halb so alt. Bei einer Audienz am Hofe ist der eher unansehnliche, schwerhörige und pockennarbige Mann bezaubert und lobt sie: „Schön von Zügen fein v Wuchs, weise Haut“. Kurz darauf nennt er sie schon „Lolitta“.

Ganz Europa bestaunt fortan die eineinhalb Jahre währende Posse um den Monarchen und die attraktive Schwindlerin, die der in Liebe entflammte Ludwig schließlich zur echten Gräfin von Landsfeld erhebt. Sogar Montez selbst erscheint die Zeit mit dem König, „diese ganze wunderbare Epoche meines Lebens“ noch in der Rückschau „wie ein toller Fastnachtsspuk“. Bayern tobt. Aus dem disziplinierten und arbeitsamen Regenten wird ein Mann in der Minne, der Gedichte schreibt und sich aufführt wie ein erstmals verliebter Jüngling. Man spricht offen vom „Verhextsein“ durch das Sexsymbol. Als die Montez schließlich aus München vertrieben wurde, ging die Glücksritterin zuerst nach New York, um ihre Lebensgeschichte am Broadway zu verhökern.

Obwohl sie in jeder späteren Lebensphase ihre Vita neu justierte, ist doch bis heute genügend Material erhalten. Erstmals standen für die Forschungsarbeit auch die bisher unzugänglichen Tagebuchaufzeichnungen Ludwigs I. zur Verfügung. Aus dieser Fülle an Quellen hat Marita Krauss, Professorin für Europäische Regionalgeschichte sowie Bayerische und Schwäbische Geschichte an der Universität Augsburg, eine lebendige, sehr unterhaltsame und üppig mit Anekdoten gefüllte Biografie geschrieben. „Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen“ lautet der Titel, ein Zitat, natürlich. Mit diesem Satz gibt Krauss den Akzent vor, den sie im Leben dieser ungewöhnlichen Frau gefunden hat. Sie betont die unzeitgemäße Emanzipation der Montez und ihren starken Willen zur Selbstbestimmung. „Sie nahm sich viele Freiheiten, um ihre Unerschrockenheit und Unabhängigkeit zu demonstrieren.“ Wer nicht spurte, dem verpasste die Tänzerin Ohrfeigen. Aber sie war nicht nur temperamentvoll und „physisch wehrhaft“, sondern nach ihren eigenen Aufzeichnungen und Briefen auch witzig, offensiv und konnte verbal zuspitzen – und treffen.

In der biedermeierlichen Residenzstadt München muss eine Person wie Lola Montez vom ersten Spaziergang rund um den Hof an als Provokation gewirkt haben. Das elegante München jener Zeit war nicht groß, was bedeutete: „Es gab keine Anonymität. Die Stadt hatte tausend Augen.“ Und alle beobachteten die Montez. Diese Aufmerksamkeit war der Frau keineswegs unangenehm. Anfangs. Sie verstand im Gegenzug gut, Nutzen daraus zu ziehen. Nach neun Monaten fungierte sie beispielsweise nicht mehr nur als Sehnsuchts- und Liebesobjekt des Königs, sondern als seine politische Beraterin, als eine Art Premierministerin, wie sie es selbst später darstellte.

Eine Vorreiterin der Emanzipation war sie nicht, betont Krauss. Auch wenn sie sich selbst gerne so darstellte: „Ich habe den Frauen gezeigt, daß, wenn sie verständen, die Schwächen der Männer zu nützen, sie überall aufhören würden, das schwache Geschlecht zu sein.“ Schöne Worte. Doch es ging ihr stets nur um die individuelle Stärke der Frau und ihren privaten Kampf gegen die Doppelmoral. Um geschickte Strategien, für sich selbst mehr zu erreichen als andere.

Marita Krauss:

„Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen: Das Leben der Lola Montez“. C.H. Beck Verlag, München, 339 S.; 24 Euro.

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