Es war beim Münchner Klaviersommer 1988: Die Philharmoniker spielten im Gasteig das Cellokonzert von Friedrich Gulda. Solist war der Widmungsträger Heinrich Schiff, der Meister selbst dirigierte. Auf Youtube ist diese Perle zu sehen. Das war vier Jahre vor Kian Soltanis Geburt. Aber der österreichische Cellist (28; Foto: Mateo Juventino), der mitten im Aufbau einer großen Karriere ist, weiß um diese Tradition. Für sein Debüt bei den Philharmonikern hat er sich das Werk ausgesucht. Das erzählt er dem Dirigenten Krzyzstof Urbanski. Denn die Umbaupause nutzen die beiden zum lockeren Plausch. So überbrückt man Wartezeit mit Inhalt. Beide, Soltani und Urbanski, nehmen das Stück ernst, so wie es Gulda selbst tat. Spaß machen soll dieser Stilmix, aber als Persiflage von Ländler, Blasmusik und Co. taugt er nicht.
Den lospreschenden Beginn nimmt Soltani nicht als eruptiven Auftakt, sondern elegant. Es dauert etwas, bis die Musik ins Grooven kommt. Vielleicht, weil die Gitarre, wie das ganze Stück über, etwas unterbelichtet bleibt. Da dürften die Jungs am Mischpult ruhig den Regler höher ziehen. Zu Beginn des zweiten Satzes zeigt das Blech der Philharmoniker seine Bruckner-Schule. Urbanski sorgt dafür, dass der Bläsersatz nichts Tümelndes oder Pseudo-heimeliges hat, sondern in der von Gulda sehr gut geschriebenen Einfachheit volle Wirkung entfaltet. In der „Idylle“ ist Soltani daheim. Ansatzlos und geschmeidig spinnt er seidige Töne. Auch in der großen Kadenz des Mittelsatzes behält er die Noblesse bei, wodurch dieser zu reserviert bleib – obwohl zum Austoben des bis zur Berserkerhaftigkeit energetischen Heinrich Schiff komponiert. Das Finale im Marschtempo nimmt Urbanski rasant, da hätte mehr Mut zum Kracherten, Blaskappelligen sein dürfen. Allerdings passt hier die Feinheit wieder gut zu Kian Soltani, der in dieser Geschwindigkeit die Läufe dank brillanter Technik perlen lassen kann. Das macht Lust auf mehr!
Auf eine erneute Einladung des Orchesters sollte er nicht lange warten müssen. Ob die erste Symphonie von Ludwig van Beethoven eines der lustigsten Werke der Musikgeschichte sei, wie Urbanski im Gespräch betonte, sei mal dahingestellt. In jedem Fall ist es gewitzte, unterhaltsame Musik, und genau die stellt der polnische Dirigent heraus. Dass er das Revolutionäre in Beethovens Musik spürbar machen kann, ohne die Brechstange zu benutzen und den Schönklang aus den Augen zu verlieren, ist mehr als angenehm. Urbanski geheimnisst nichts intellektuell verkrampft hinein, sondern animiert das Orchester, mit Freude zu spielen. Dass das nach einem etwas verkorkstem Pizzicato-Beginn bestens klappt, ist nicht nur zu hören, sondern vielen auch anzusehen.