Der Irgl und sein Lebensweg

von Redaktion

Neuer Bildband würdigt den Königsdorfer Bauernmaler Georg Demmel

VON CHRISTOPH SCHNITZER

Was ist das für eine Geschichte? Ein durstiger Radler hält um 1920 am Hoicher-Hof in Königsdorf und bittet um ein Glas Milch. Im Hausgang sieht der erschöpfte Velozipedist beim Warten Zeichnungen an der Wand. Er erkennt das große Talent des Künstlers, der sich als Sohn des Bauern entpuppt, und rät dem Irgl, also Georg, dringend, die Malerei ernsthaft zu studieren.

Was für ein Ansinnen zu jener Zeit. Der Krieg ist eben vorbei und verloren, die Zeiten sind schlecht, und die Malerei gilt am Lande nur als brotlose Kunst. Georg Demmel, um den es hier geht, folgt dennoch seinem Weg. Er beginnt nach Aufnahmeprüfung und Probesemester ein Studium an der Staatlichen Kunstgewerbeschule München. Damit war einer der wohl ungewöhnlichsten Künstlerkarrieren des bayerischen Oberlands Bahn gebrochen: der des Bauernmalers Georg Demmel (1899-1972). Der Tölzer Walter Frei hat ihm in einem jetzt beim Münchner Hirmer Verlag erschienenen Buch ein längst überfälliges Denkmal gesetzt.

Die allzu wohlfeil klingende Zuordnung als Bauernmaler hat tatsächlich ihre Berechtigung. Georg Demmel war „ein ganz Eigener“, wie man in Bayern zu sagen pflegt. Neben der Kunst, die ihn bis nach Südfrankreich führte, widmete der aus Überzeugung unverheiratet gebliebene Naturmensch sein Leben der bäuerlichen Arbeit auf dem heimischen Hof.

Dort oder im Dorf fand er seine Motive und Studienobjekte, die er in seinen Zeichnungen und Aquarellen festhielt. Beim Betrachten der kraftvollen, expressiven Tanzszenen im Wirtshaus wird man unwillkürlich an einen anderen „Bauernmaler“, nämlich Pieter Bruegel den Älteren erinnert. Und wenn Demmel verschneite Heuhocken im Loisach-Moos malt, so sind es just dieselben, die Franz Marc im benachbarten Ried bei Kochel als Motiv entdeckte und als „Hocken im Schnee“ verewigte. Auffallend nur, dass Demmel bei aller Frische des Ausdrucks fast ausschließlich mit erdfarbenen Komplementärfarben arbeitete.

Demmel war strenger Kritiker seiner selbst. Erfüllte ein Bild seine (hohen) Erwartungen nicht, wurde es gnadenlos zerrissen. Auch verkaufte er seine Werke nicht an jedermann. Allein, um einen Blick in seine Mappen werfen zu dürfen, musste man von ihm als sympathisch oder zumindest kunstverständig taxiert worden sein. Daran liegt es wohl, dass vergleichsweise wenige Demmel-Bilder in den Handel gekommen sind. Die Neue Pinakothek in München und die Kunsthalle Hamburg konnten Demmel-Aquarelle erwerben. 1935 wurde der Königsdorfer als Mitglied der Münchner Sezession aufgenommen – für den „Bauernmaler“ gewissermaßen der Ritterschlag.

Es war nicht die geringste Aufgabe des Buchautors Walter Frei und des Herausgebers Franz Roeckl, den vielfach nur privat vorhandenen Bilderbestand – darunter auch Hinterglasbilder und bemalte Möbel – ausfindig und in der Demmel-Monografie endlich zugänglich zu machen. Breiten Raum nimmt in dem vom Hirmer Verlag sorgfältig edierten Bildband auch das öffentliche Schaffen Demmels ein. Als Freskenmaler hat er vom Isarwinkel – etwa in Bad Tölz, Wolfratshausen, Königsdorf oder Lenggries – bis in den Chiemgau Spuren hinterlassen.

Walter Frei:

„Georg Demmel – Ein Künstler aus Königsdorf und sein malerisches Erbe“. Hirmer Verlag, München, 215 Seiten; 34,80 Euro.

Artikel 6 von 7