Nach seinem Durchbruch mit dem Gangsterdrama „Königreich des Verbrechens“ folgte der australische Filmstar Ben Mendelsohn dem Ruf Hollywoods: Er zog nach L.A. und spielte dort vorwiegend Bösewichte in Blockbustern wie „Rogue One: A Star Wars Story“, „The Dark Knight rises“, „Robin Hood“, „Captain Marvel“ oder Steven Spielbergs „Ready Player One“. Nach acht Jahren in den USA ist er nun in seine Heimat zurückgekehrt – für die Tragikomödie „Milla meets Moses“, die morgen in unsere Kinos kommt. Im Interview beim Filmfestival von Marrakesch hält der 51-Jährige kaum eine Sekunde still: Er ändert ständig seine Sitzhaltung, zappelt mit den Füßen, schaut unruhig umher und lässt seine bisweilen deftigen Antworten heraussprudeln wie Mineralwasser.
In Hollywood sind Sie in die Universen von „Star Wars“, Marvel und Spielberg eingetaucht. Hat Sie dort irgendetwas beeindruckt?
Zur Hölle, ja! Oft bin ich den ganzen Tag mit staunenden Augen herumgelaufen. Am meisten verblüfft hat mich Steven Spielberg, denn ich hatte erwartet, dass bei ihm am Set nur noch eine total durchgeplante Maschinerie abläuft. Stattdessen entwickelte er alles aus dem jeweiligen Moment heraus. Das fand ich sehr inspirierend.
Hat es Sie frustriert, dass Sie in Hollywood fast nur Nebenrollen spielen durften?
Nein, gar nicht. In meinem Job geht es mir nicht um Selbstverwirklichung. Mir waren schon immer Kollegen suspekt, die Filme aus persönlichen Gründen drehen. Letztlich sollte doch stets das Publikum im Fokus stehen. Vor der Kamera muss ich nicht irgendwelche Grenzen austesten oder zeigen, was ich alles draufhabe. Ich finde es viel interessanter und befriedigender, Teil eines Ganzen zu sein, das richtig gut funktioniert.
Mit „Milla meets Moses“ haben Sie nach langer Zeit wieder einen Film in Australien gedreht. Hatten Sie die Schurkenrollen satt?
Nein, ich habe sie alle gern verkörpert und es als Ehre empfunden, dass sie mir angeboten wurden. Inzwischen habe ich tatsächlich ein paar gutherzige Filmfiguren hintereinander gespielt, sodass ich langsam richtig scharf darauf bin, endlich wieder auf die dunkle Seite zu wechseln!
Einer dieser sanftmütigen Charaktere ist der Psychiater in „Milla meets Moses“. Was hat Sie daran gereizt?
Gar nicht so sehr die Rolle – ich wollte einfach unbedingt in diesem Film mitspielen. Er erzählt eine originelle, bewegende Geschichte und wirft einen liebevollen Blick auf hinreißend verkorkste Menschen, die sich ihrer Stärken nicht bewusst sind. Meine Agentin hatte mir das Drehbuch ans Herz gelegt und mich so lange damit belästigt, bis ich es gelesen hatte. Meine Reaktion bestand nur aus drei Worten: „Es ist wundervoll!“ Daraufhin meinte sie: „Wow, das hast du in all den Jahren noch nie gesagt!“
War dieser Film auch eine Rückkehr zu Ihren beruflichen Wurzeln?
Ja, es fühlte sich an, als käme ich nach Hause – heim zu der bodenständigen Art des Filmemachens, wie sie in Australien noch gepflegt wird. Sie hat gegenüber der Arbeitsweise in Hollywood eine Menge Charme, kann aber auch tierisch nerven. Ich vergleiche Dreharbeiten gern mit dem Anheuern auf einem Schiff: Man begibt sich auf eine gemeinsame Reise und hockt wochenlang eng aufeinander. Also: Augen auf bei der Wahl deiner Projekte!
Und wie war die Stimmung an Bord des „Milla meets Moses“-Schiffs?
Beschissen. Es herrschte eine Bullenhitze, wir schwitzten wie die Säue und litten unter enormem Zeitdruck. Ständig ging etwas schief, wir hatten nie genug Geld – es gab nicht einmal Stühle zum Ausruhen, sondern nur Holzkisten. Die Dreharbeiten waren höchst unerfreulich. Doch das ist mir tausendmal lieber als der umgekehrte Fall, bei dem du eine Menge Spaß am Set hast, aber ein ätzender Film dabei herauskommt. Die Erfahrung zeigt: Je desaströser der Dreh, desto besser der Film. Doch es gibt auch Ausnahmen von dieser Faustregel.
„Milla meets Moses“ gehört wohl nicht zu jenen Ausnahmen.
Natürlich nicht! Die Regie-Debütantin Shannon Murphy hat das Drehbuch mit einer sagenhaften Feinfühligkeit umgesetzt und damit meine hohen Erwartungen weit übertroffen. Sie lässt ihren Film auf dich los, er verschlingt dich mit Haut und Haaren – und du bist glücklich darüber, dass du in ihm steckst. Von meinen rund sechs Dutzend Filmen ist das mein allerliebster.
Sind Sie am Set so zappelig wie in Interviews?
Nun ja, ich habe, was sich offenbar nicht verbergen lässt, eine gewisse Rastlosigkeit in mir. Anders gesagt: Ich verfüge über ein hohes Maß an kinetischer Energie, die sich manchmal auch auf der Kinoleinwand widerspiegelt. Wenn ich mich in der Gemeinschaft eines Filmteams einigermaßen wohlfühle, verhalte ich mich ähnlich wie ein Hund, der freudig kläfft und aufgeregt an den Menschen hochspringt. Das führt bisweilen zu erfreulichen Resultaten, wird aber auch von manchen Leuten als extrem nervtötend empfunden. Hängt ganz von der Situation ab. Und von den Leuten!
Das Gespräch führte Marco Schmidt.