Geschichte bleibt nicht stehen. Auch Kinogeschichte nicht. Der Glamour vergangener Tage lässt sich heute nicht wiederbeleben. Ebenso wenig die Machart der Filme. Mit der Materie und dem Material hat sich der Anspruch des großen Publikums an die Kulturindustrie verändert. Thilo Wydras „Eine Liebe in Paris – Romy & Alain“ lässt sich davon nicht beeindrucken. Freimütig hat sich der Filmjournalist, Hitchcock-Fachmann und Buchautor ein vermeintliches Nostalgiethema vorgenommen.
Denn ob Romy Schneider und Alain Delon, zwei der mit Sicherheit schönsten Schauspieler der Nachkriegszeit, den Teenies von heute noch vertraut sind, ist fraglich. Letztere allerdings haben einiges verpasst, die Liaison der beiden liest sich noch heute so spannend wie ein Krimi, obwohl keinerlei kriminelle Taten vorliegen. In Delons Fall zumindest nicht, was die Beziehung anbelangt.
Was die beiden so faszinierend macht – und vom Autor immer wieder herausgearbeitet wird –, ist der Gegensatz zwischen den Partnern. Als Romy Schneider 1958 bei den Dreharbeiten zu „Christine“ erstmals auf Alain Delon traf, war sie ein Star und er noch nicht. Er dagegen galt als verrucht, verführerisch, durchsetzungsfähig und unkultiviert. Sie wiederum war gebildet, hatte sich in Deutschland und Österreich allerdings ein Image als süßes Maderl erspielt, vielleicht erspielen müssen. Ein Image, unter dem sie litt und von dem sie sich endlich befreien wollte.
Die Liebe war keinesfalls programmiert, auch wenn die Bilder der beiden – einige von ihnen finden sich in der Mitte des Buchs – noch immer eine Aura des Idealen verströmen. So schön, so elegant und zugleich so zerrissen und wild. Das perfekte Künstlerpaar. Doch zunächst konnten sich Romy und Alain nicht ausstehen. Geflirtet haben die beiden erst nach einer Weile.
Das Buch gibt nicht nur die Geschichte wieder. Es analysiert auch die drei Schneider-Delon-Filme sehr detailliert. Zudem verzichtet Wydra auf die klassisch allwissende Erzählerrolle. Stattdessen tauchen alte Weggefährten der beiden Titelhelden als plaudernde Zeitzeugen auf, quasi bei Kaffee und Kuchen mit dem Verfasser. Mario Adorf etwa, Senta Berger, Jane Birkin, aber auch in Deutschland nicht mehr ganz so präsente Filmgrößen wie Brigitte Auber („Über den Dächern von Nizza“) oder der Autor und Regisseur Georg Stefan Troller, der in seiner Pariser Wohnung besucht wird. An diesen Stellen wird die Erzählung fast journalistisch, und der Leser darf ein wenig in die Recherchetätigkeit hineinschnuppern. Auch mit Alain Delon hat Thilo Wydra gesprochen.
Romy Schneider (1938-1982) begegnet er in seinem Buch mit großer Empathie. Ihre missratene Ehe mit Harry Meyen, ja überhaupt Meyens Einflussnahme auf das Image der Schauspielerin, das Zurechtstutzen der Frau – all das tritt plastisch hervor, mit Belegen unterfüttert. Gerade in diesen Passagen wird das vermeintlich nostalgische Thema aktuell, denn die Strukturen, mit denen sich eine Romy Schneider herumschlagen musste, existieren auch heute noch – wenn auch versteckter, getarnter.
Hübsch sind auch die Seitenhiebe auf gewisse deutsche Leitmedien und ihre reaktionären Attacken auf eine Frau, die versuchte, sich von widerwärtigen Altlasten zu befreien. Romy ist überhaupt die dominante Figur des Buches. Sie ist die menschlich wie ideologisch Sympathischere. Delon dagegen bleibt unbegreifbar.
In dessen Verquickungen mit dem Gangstermilieu gewährt Thilo Wydra kurze, skizzenhafte Einblicke. Doch wirklich ergründen (Wie auch, bei einem Menschen, der das nicht will?) kann selbst er diesen verschlossenen Mann nicht, der zwar mitunter sehr loyal zu seinen Freunden war, auf der anderen Seite egoistisch und politisch der französischen Rechten zugeneigt. Zu Delon bleibt denn auch vor allem ein Zitat aus seinem letzten gemeinsamen Film mit Romy Schneider im Gedächtnis haften: „Was geht wohl vor hinter diesen stillen blauen, kalten Augen?“
Thilo Wydra:
„Eine Liebe in Paris. Romy & Alain“. Heyne Verlag, München, 352 Seiten; 22 Euro.