Langsam ist eigentlich alles erzählt. Wer heute ins Kino geht, schaut häufig einen Plot an, der so oder ähnlich schon einmal zu sehen war. Immer seltener schaffen es Filme in die Lichtspielhäuser, die mit den Konventionen des Erzählens brechen oder die sich von der herkömmlichen Dramaturgie deutlich unterscheiden. Die Einschränkungen durch Corona haben diesen Trend noch verstärkt.
Wer sich von den gefälligen, leicht konsumierbaren Netflix- und Popcornkino-Strukturen gelangweilt fühlt, dem sei das Festival „Kino der Kunst“ empfohlen. Vom 27. Oktober bis 1. November findet es an Münchner Spielorten wie dem Theatiner Kino, den City Kinos, den Kinos der HFF und dem Ernst von Siemens Auditorium in der Pinakothek der Moderne statt. Zu sehen sind unter dem Motto „Verbotene Schönheit“ über 40 Filme aus knapp 30 Ländern von Ägypten und China bis nach Israel, zur Türkei und nach Zimbabwe.
Da im konventionellen Kino sämtliche Handlungen vorhersehbar und alle Tabus längst gebrochen sind, steht für den echten Kunst-Film die Dekonstruktion im Vordergrund. Wichtig ist nicht, was erzählt wird, sondern wie: Die kunstvoll erzeugte Spannung des klassischen Hollywood-Thrillers wird gedehnt und fragmentiert. Die Tricks und Kniffe des Kinos werden von den geladenen Künstlern seziert oder weitergedacht. Laut Heinz Peter Schwerfel, der zum vierten Mal als künstlerischer Leiter fungiert, liegt in diesen innovativen ästhetischen Kategorien und dem Schwimmen gegen den „formalen Mainstream“ die Zukunft der Kinobranche. Was heute noch als Avantgarde gilt, ist morgen Standard. Und der ist für wenige Tage zu Gast in der Stadt. Diese neuen Formen des Bewegtbilds sind auch gefüllt mit brisanten politischen Inhalten zu Umweltzerstörung und Konsumrausch, Feminismus oder Rassismus.
Man kann im sinnlichen Erlebnis schwelgen etwa bei der Begegnung von Kindern mit Göttern in der Dystopie „The Boat People“ des Vietnamesen Tuan Andrew Nguyen. Man kann vom Tunesier Ala Eddine Slim in seiner „Die Schöne und das Biest“-Variation „Tlamess“ über Einsiedlertum und frischen Lebensmut lernen. Oder bei Matthew Barney in „Redoubt“ durch die extrem gedehnt erzählten, winterlichen Jagdszenen aus Idaho die antike Mythologie neu erfahren. Begleitet werden diese Film-Erlebnisse von einem üppigen digitalen Angebot und von Gesprächsrunden mit Künstlern.
Informationen
unter kinoderkunst.de.