Sollte noch ein Beweis nötig gewesen sein, warum wir gerade in der dunklen Jahreszeit Live-Musik dringend brauchen, so dürften ihn Gustavo Dudamel und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am Wochenende mit einem kompakten Schumann-Zyklus eindrucksvoll erbracht haben. Schon beim Start mit der „Frühlingssymphonie“ wurde Dudamel seinem Ruf als Temperamentsbündel mehr als gerecht und führte das Orchester forschen Schrittes durch die Partitur: schlank im Ton und flexibel in der Wahl seiner Tempi, dabei aber selbst in den kurzen Ruhemomenten nie an Zug verlierend. Eine konsequent durchgehaltene Interpretation, die ähnlich rauschhaft daherkam, wie dieses Werk einst entstand. Wurde die erste Symphonie vom Komponisten doch innerhalb weniger Tage zu Papier gebracht. Der knackige Zugriff des Dirigenten ging dabei nie zu Lasten des fein aufgefächerten Klangbildes, in dem vor allem Holz- und Blechbläser immer wieder interessante Farbtupfer zu setzen wussten.
Nicht minder erfreulich war auch das Wiederhören mit dem von Howard Arman akribisch einstudierten BR-Chor, der den Abend mit drei A-cappella-Liedern aus Dudamels Heimat Venezuela eröffnet hat. Die Chormitglieder auf dem Podium waren dabei mindestens so großzügig verteilt wie die wenigen zugelassenen Gäste in der Philharmonie. Doch selbst die Abstände schienen die Homogenität in der Intonation kaum zu beeinträchtigen. Glasklar die Hommage an den „El Sistema“-Gründer José Antonio Abreu, dessen „Sol que das vida a los trigos“ man zwei Kompositionen von Modesta Bor und Antonio Estévez zur Seite gestellt hatte. Letztere mit Tenorsolist Andrew Lepri-Meyer, der als Vorsänger seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Chor selbstbewusst anführte. TOBIAS HELL