„Wir müssen spielen!“ Mit einem flammenden Appell haben sich die Münchner Ensembles gegen eine drohende Schließung der Musiktheater und Sprechbühnen gewandt. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schreiben die künstlerischen Kräfte des Staatsschauspiels, der Kammerspiele, des Gärtnerplatz- und Volkstheaters, der Schauburg und der Staatsoper: „Zuschauerräume sind durch kontinuierliche Belüftung und die Hygienekonzepte sicherer als viele andere Orte. Es gibt keine belastbaren Zahlen, die suggerieren, dass Theater Superspreader-Ereignisse provoziert hätten. Wir fordern die Politik auf, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen.“
Derweil teilte das Gärtnerplatztheater mit, dass sein Antrag vom Kreisverwaltungsreferat abgelehnt wurde, weiter vor 200 statt vor 50 Menschen spielen zu dürfen. Die Karten für Vorstellungen bis 2. November wurden storniert; die Käufer werden unterrichtet. Das gilt auch beim Residenztheater sowie an der Staatsoper. Dort hat man den Live-Stream von Walter Braunfels’ „Die Vögel“ auf den Premierentag vorverlegt: Die Übertragung beginnt am Samstag, 18 Uhr, auf www.staatsoper.tv. Der Privatveranstalter Münchenmusik hat gestern die Reißleine gezogen und 110 Veranstaltungen in der Stadt bis 31. Januar verschoben oder abgesagt. „Die Kurzfristigkeit der Allgemeinverordnungen sowie deren kurze Geltungsdauer machen es derzeit unmöglich, unter wirtschaftlich sinnvollen Aspekten Veranstaltungen durchzuführen“, kritisiert das Unternehmen.
Bundesweit haben sich Verbände gegen pauschale Schließungen positioniert: „Ein flächendeckendes Kulturverbot hätte dramatische Folgen für die Kinolandschaft und die Filmwirtschaft in Deutschland“, erklärte etwa die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO). „Das wäre ein heftiger Schlag und für kleine Privattheater schnell existenzbedrohend“, sagte der Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Marc Grandmontagne. Und der Deutsche Museumsbund forderte, die Ausstellungshäuser nicht zu schließen. Bisher gebe es „keine gemeldeten Fälle von Museen als Infektions-Hotspots“.
Auch in der Musik- und Comedyszene wird es laut: „In den letzten Monaten gaben Sie uns das Gefühl, weniger wert zu sein als Autos, Flugzeuge und Fußballspieler“, schreiben etwa Carolin Kebekus, Michael Mittermeier, Dieter Nuhr, Peter Maffay sowie die Bands BAP und Ärzte an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Mittlerweile sei die Situation so ernst, dass sich manche Selbstständige aus Verzweiflung das Leben genommen hätten. Deshalb fordern die Unterzeichner staatliche Hilfen: „Diese Forderung bezieht sich ganz explizit nicht auf uns wenige Topverdiener, sondern auf die vielen finanziell angeschlagenen privatwirtschaftlichen Kulturstätten.“ M. SCHLEICHER