„Wie ich den Sex erfand“: Klingt nach einem Kapitel aus der Autobiografie Gottes. Tatsächlich handelt der aktuelle Roman von Peter Probst mit dem schmissigen Titel vom jungen Peter Gillitzer, der in Ich-Form von seiner tragisch-komischen Pubertät im Untermenzing der Franz-Josef-Strauß-Zeit erzählt.
Gott spielt in seiner erzkatholischen Familie zwar eine große Rolle, aber nur zur Tabuisierung von allem, was Spaß macht – allem voran dem Sex. Also legt sich Gillitzer jun. ein Buch mit den vielen faszinierenden Begriffen an, über die in seinem Umfeld geraunt wird und die er nicht versteht, angefangen mit „Prono“ (sic!) bis „Unzucht“. Die Überlebensstrategie funktioniert: Während ihn anfangs noch die kindliche Angst vor Marienerscheinungen plagt, bandelt er am Schluss schon selbstbewusst mit Anarchistinnen an. Den Sex (er-)findet er schließlich im Alter von 14 Jahren in einem Zelt an den Osterseen.
Stark an Probsts Roman ist vor allem die Figur des scheinbar übermächtigen Vaters, dessen Autorität im Lauf der knapp 300 Seiten rasant schwindet – nur damit er am Ende als Nazi-Gegner in der Achtung des Lesers doch wieder steigt.
Stark sind auch die Dialoge, was bei einem preisgekrönten Drehbuchautor wie Peter Probst – selbst in Untermenzing aufgewachsen, sein Roman ist teils autobiografisch – nicht weiter erstaunt. Und Lokalkolorit satt für Leser aus dem Münchner Westen bietet die feine Prosa obendrein. Kurz: eine Wonne. Das Hörbuch, eingelesen von Schauspieler Christian Tramitz, ist kongenial. VOLKER UFERTINGER
Peter Probst:
„Wie ich den Sex erfand“. Kunstmann Verlag, München, 296 Seiten; 22 Euro.