„Unsinn beim Namen nennen“

von Redaktion

Virologe Drosten verteidigt Forschung

Friedrich Schiller würde nach Überzeugung des Virologen Christian Drosten heute Maske tragen. In seiner gestern online veröffentlichten Marbacher Schillerrede betonte der 48-Jährige, jeder sei aufgefordert, nicht nur aus Pflicht und Verantwortung zu handeln; auch Neigung und Lust gehörten untrennbar dazu. Drosten würdigte den Dichter als „überzeugten Kämpfer für die Freiheit“. Auch Forscher und Wissenschaftler wollten frei und unabhängig arbeiten und „keinem Fürsten, sondern der Erkenntnis dienen“. Mit Blick auf die Covid-Erkrankung sagte Drosten, die Pandemie sei „kein unabwendbares Schicksal“. Die Menschen bestimmten selbst, ob sich die Lage verschlimmere oder verbessere. Für Schiller sei klar gewesen, dass persönliche Freiheit nicht losgelöst von der Gesellschaft gelingen könne.

Der Virologe nutzte die Rede, mit der an den Geburtstag des Schriftstellers und Mediziners Friedrich Schiller (1759-1805) erinnert wird, um den Wert unabhängiger Wissenschaft zu verteidigen. In der Pandemie sei es seine Aufgabe, „die Methoden meines Fachgebiets zu erklären, die Grenzen wissenschaftlicher Studien aufzuzeigen, einzuordnen, was Fakt und was Fiktion ist“. Forscher müssten „ein realistisches Bild zeichnen und nicht das gewünschte“. Daher fühle er sich verpflichtet, „korrigierend einzugreifen und ausgemachten Unsinn auch einmal beim Namen zu nennen“.

Doch wenn man als Wissenschaftler so agiere, sei man sofort „mittendrin im breiten öffentlichen Meinungskampf“ um Corona. „Und das ist für jemanden, dem es um Fakten und gesicherte Erkenntnis geht, eine, sagen wir mal, interessante und lehrreiche Erfahrung.“ Wissenschaftliche Beiträge würden nicht mehr sachlich diskutiert, sondern seien Teil einer „ungemein hart geführten“ Debatte. „Das Ganze findet rund um die Uhr bei hohen Temperaturen im Schleuderwaschgang der Sozialen Medien statt.“

Drosten warb um Verständnis dafür, dass sich die wissenschaftliche Sicht ändern könne. Der Weg sei mit einer Expedition ins Unbekannte zu vergleichen, die Irrungen und Rückschläge einschließe. „Ursprüngliche Theorien können sich als falsch erweisen und gleichzeitig wichtige Impulse liefern. Für Menschen, die dies nicht gewohnt sind, ist das mitunter schwer nachzuvollziehen.“  mbr/jac

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