Wie vielleicht jede Sprache auf der Welt verfügt auch das Deutsche über einige besonders schöne Wörter ganz exklusiv – man denke an die „Torschlusspanik“ oder das „Fremdschämen“. Und wie vielleicht jeder Sprache auf der Welt mangelt es auch dem Deutschen an Begriffen, die einen bestimmten Zustand ausdrücken, ein konkretes Gefühl oder eine nur kompliziert zu umschreibende Situation. Solcher nicht existenter Vokabeln hat sich nun der italienische Autor Stefano Massini angenommen (in der anspruchsvollen Übersetzung von Annette Kopetzki). Im „Buch der fehlenden Wörter“ erfindet er dieselben – und liefert die entsprechende Etymologie in Form blumig erzählter Anekdoten gleich mit.
So lässt er sich vom Schicksal des von seinem Konkurrenten ausgebooteten Gelehrten Robert Hooke zum Begriff „Hookerie“ inspirieren, der den Geisteszustand eines in einen unfairen Wettstreit gedrängten Menschen beschreibt. Vom Namen der berühmten Afroamerikanerin Rosa Parks leitet er die „Parksiade“ ab, eine „bedeutende Errungenschaft, die einer kleinen Geste entsprang“ – in Parks’ Fall dem Nichtaufstehen für einen Weißen in einem Bus in Alabama. Und dem Modeschöpfer Cesare Vecellio widmet er das Wort „Vecellismus“ – die Fähigkeit, unbeirrbar der eigenen Berufung zu folgen.
Dabei ist es für die Lesefreude völlig unerheblich, ob die Figuren und ihre unterhaltsamen Lebensgeschichten einer historischen Überprüfung standhalten würden oder nicht: Massini, der das Sprechen ein „Versteckspiel unbekannter Geschichten“ nennt, zeigt, wie schön es sein kann, sich nicht nur für die Sprache selbst zu interessieren, sondern auch für ihre Leerstellen, und diese dann mit großer Leidenschaft zu füllen – immer im Bestreben, den großen und kleinen Dramen des Lebens Aufmerksamkeit zu schenken, die unser Denken und damit unser Sprechen beständig verändern. Wunderschön illustriert von Magda Wel.
Stefano Massini:
„Das Buch der fehlenden Wörter“. Hanser, 256 Seiten; 26 Euro.