Blauer Farbtupfer

von Redaktion

Der Münchner Motettenchor legt die CD „Barock in Blue“ vor

VON ANNA SCHÜRMER

Das Motiv dieser Tage lautet „Bounjour Tristesse“: Das Wetter grau, der Irrsinn der US-Wahlen, die pandemisch verschärften Einschränkungen des öffentlichen und besonders des Kulturlebens – das etwas Farbe in die graue Gegenwart bringen könnte. Kein Wunder, dass der Blues grassiert.

„Barock in Blue“ heißt das aktuelle, von BR Klassik koproduzierte Album des Münchner Motettenchors, und dieser Titel beschreibt ziemlich genau den Inhalt der natürlich blau gestalteten CD-Hülle: Alte Musik trifft auf Blue Notes; der Motettenchor unter der Leitung von Benedikt Haag auf das Maximilian Höcherl Ensemble, bestehend aus Stimme, Saxofon, Keyboard, Bass und Schlagzeug. Die vier, zwischen zehn und 15 Minuten umfassenden Stücke sind Bearbeitungen von Motetten Johann Sebastian Bachs, von denen Pianist Maruan Sakas und Bandleader Maximilian Höcherl je zwei arrangiert haben.

Das Ergebnis ist tatsächlich barocker „rainy Jazz“: Ein blauer Farbtupfer in der grauen Tristesse, der bisweilen von helleren und wärmenden Klangfarben gesprenkelt ist, wobei sich die Bestandteile alter und moderner Musik erstaunlich intuitiv zusammenfügen. Besonders überzeugend sind die perkussiven Passagen – etwa die reduzierten Drums gleich zu Beginn des Albums, die mit den puren Motetten-Gesängen des Chores eine reizvolle Liaison eingehen, während einsame Piano-Parts im Kontrast mit Gesangseinsätzen im Stil gregorianischer Choräle zu leuchten beginnen. Nur leider nimmt manchmal eine Neigung zum Affirmativen überhand, insbesondere dann, wenn sich eine Saxofon-Glätte um überbetont schwungvolle chorische Passagen legt – da wäre Raum für etwas mehr anti-affirmativen Mut nach Art der Avantgarde gewesen.

Aber das ist letztlich Geschmackssache und damit kein schwerwiegendes Kriterium: Tatsächlich ist dieses Album ein Farbtupfer in grauen Zeiten. War die erste Ausgangssperre im Zeichen von Corona die Zeit der Livestreams, könnte der zweite Lockdown des Kulturlebens genutzt werden, um wieder einmal den analogen CD-Player der heimischen Stereoanlage in Gang zu setzen.

Münchner Motettenchor:

„Barock in Blue“

(Rondeau Production).

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