Der Bildermacher

von Redaktion

Luis August Krawen ist „Artist in Residence“ an den Münchner Kammerspielen

Schon als 15-Jähriger spielte, inszenierte und schrieb er für P14, das Jugendtheater der Berliner Volksbühne. Als freier Videokünstler war er bereits an unterschiedlichen Häusern tätig, zuletzt studierte er in Gießen Angewandte Theaterwissenschaft. Nun hat die neue Intendantin Barbara Mundel den 25-jährigen Theater-Allrounder Luis August Krawen als „Artist in Residence“ für ein Jahr an die Münchner Kammerspiele geholt. Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit.

Hat Sie Barbara Mundels Anfrage überrascht?

Ich hatte nie damit gerechnet, mit meiner Video- und 3D-Arbeit fest an ein Haus zu kommen – wobei ich die Vorstellung immer toll fand. Zu Beginn wussten die Kammerspiele auch nur, dass sie sich mit Digitalität beschäftigen wollen und dass sie da noch zu wenige Positionen, Impulse haben. Aber wir haben uns dann immer wieder zu Gesprächen getroffen, ich habe Projektideen entwickelt, und irgendwann haben sie gesagt: Komm’ doch für ein Jahr an unser Haus.

„Artist in Residence“ – was bedeutet das konkret?

Das befindet sich noch in der Entwicklung. Ein Projekt ist, das Ensemble zur nächsten Spielzeit nicht mit Fotos zu präsentieren, sondern mit digitalen Avataren. Die Idee ist, den besonderen Möglichkeitsraum der 3D-Animation zu nutzen und sich eine Art digitales Kostüm auszudenken und Fantasien der Spielerinnen und Spieler einfließen zu lassen. Ansonsten interessiere ich mich für Videoinstallationen und eigene szenische Arbeiten, die sich mit neuen Technologien auseinandersetzen. Für „Die neue Situation“, das Online-Magazin der Kammerspiele, möchte ich Digitale Kunst kuratieren, die ich interessant finde.

Wie werden Sie mit Regie und Bühnenbild zusammenarbeiten?

Das gilt es für jedes Stück neu herauszufinden. Weil Video im Theater ja noch jung ist und 3D-Animation erst recht, gibt es kein festes Vorgehen, kein Protokoll. Bei „Die Politiker“ (der Premierentermin für Felicitas Bruckers Inszenierung ist derzeit noch offen; Anm. d. Red.) wurde ich schon vor einigen Monaten in den Prozess involviert. Aus der Unterhaltung über den Text sind dann Ideen für Motive entstanden, die probieren wir jetzt aus.

Gibt es eine Konkurrenz zwischen Video und Bühnenbild?

Natürlich besteht immer eine gewisse wechselseitige Abhängigkeit. Wenn man eng zusammenarbeitet, lässt sich Konkurrenz aber vermeiden. Ich kann nur mit dem arbeiten, was das Bühnenbild vorgibt. Andererseits habe ich die Kraft, mit dem Video das Bühnen- oder das Erscheinungsbild zu verändern. In diesem Fall war es ein gegenseitiges Ergänzen.

Welche Möglichkeiten eröffnen sich dem bildenden Künstler am Theater?

Die Institution Theater kann Künstlerinnen und Künstlern andere Arbeitsbedingungen als der freie Markt bieten, etwa Unabhängigkeit von der Warenförmigkeit der Kunst. Das ermöglicht wiederum eine andere Arbeitspraxis, es entstehen Werke und Formate, die es vorher vielleicht noch nicht gegeben hat.

Denken Sie bei der Produktion den Zuschauer mit?

Erst mal geht es um mein Anliegen, meinen Zugang sowie den der Gruppe, in der man arbeitet. Aber natürlich teilen das Publikum und ich uns eine Welt, und in dem Moment, an dem man etwas gesellschaftlich Relevantes machen will, kann man nicht ohne diese Gesellschaft denken. Mit einem 3D-Film bin ich etwa anders in der Lage, filmische Sehgewohnheiten – in die immer eingeschrieben ist, wie sich eine Gesellschaft organisiert – infrage zu stellen. Ich kann gänzlich andere Bilder produzieren, Sachen aufgreifen. Aber unter ganz anderen Bedingungen: nämlich zuhause am PC in meinem stillen Kämmerlein. Es macht Spaß, Leute mit neuen Bildern zu begeistern.

Das Gespräch führte Teresa Grenzmann.

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