Mit skeptischem Blick

von Redaktion

Der Komiker und Filmemacher Woody Allen feiert heute seinen 85. Geburtstag

VON ZORAN GOJIC

49 Spielfilme in 50 Jahren, vier Oscars, zwei Dutzend Oscar-Nominierungen. So nüchtern und so eindrucksvoll könnte man das Werk von Woody Allen darstellen. Aber das erfasst natürlich die Bedeutung des Mannes nur sehr bedingt. Seit einem halben Jahrhundert gehört Allen zum festen Inventar der populären Unterhaltungskultur, seine Art des Humors, die vorsätzliche Schusseligkeit seiner Kunstfigur Woody hat Generationen von Komikern geprägt.

Die kunstvolle Verbindung von geistreichem Wortwitz, albernem Nonsens und einer skeptischen Sicht auf die Menschheit, die Allen scheinbar so mühelos immer wieder aufs Neue variiert, ist unerreicht. Er selbst behauptet, das sei einfach Handwerk, und reagiert eher genervt, wenn das in die Tradition des doppelbödigen jüdischen Humors gestellt wird.

Der Filmemacher, als Allan Konigsberg in eine streng religiöse Familie hineingeboren, kann weder mit dem jüdischen Glauben noch mit irgendeinem anderen metaphysischen Welterklärungsmodell etwas anfangen: Wenn man stirbt, sei da nichts mehr. Nicht einmal das Licht anmachen könne man, Lichtschalter gebe es ja auch nicht.

Wie eine Maschine spuckt Allen solche Gags aus und fällt früh damit auf. Schon als Teenager verdient er als Gagschreiber für Radiomoderatoren mehr Geld als sein Vater, was ihm ein wenig peinlich ist. Doch seine ersten Auftrittsversuche als Solokünstler sind desaströs. Er verhaspelt sich, wirft Dinge um, wirkt fahrig – und macht genau das zu seinem Stilmittel, als er merkt, dass die Leute sich wegwerfen vor Lachen. Der leicht stotternde und verschüchtert auftretende Neurotiker auf der Bühne wird vom Publikum mit dem Menschen Woody Allen verwechselt, und der lebt sehr gut davon. Noch bevor er als Mittdreißiger beginnt, seine eigenen Filme zu drehen, ist Woody Allen Millionär. Berühmt gemacht haben ihn aber natürlich seine Kinokomödien, anfangs oft leicht zotig und mit einem festen Willen zum Klamauk, später dann mit dem Mut zur Poesie und zur mitunter tiefen Wehmut. Ende der Siebziger- bis Mitte der Achtzigerjahre steht er künstlerisch und kommerziell auf dem Höhepunkt seiner Karriere: „The Purple Rose of Cairo“, „Broadway Danny Rose“, „Zelig“, „Hannah und ihre Schwestern“ und selbstverständlich „Der Stadtneurotiker“ – allesamt bewegende, wahnsinnig komische und gleichzeitig tieftraurige Meisterwerke.

Der Schauspiel-Adel Hollywoods reißt sich darum, mit Allen zu drehen, und nimmt dafür in Kauf, mit dem Standardtarif entlohnt zu werden – also für dessen Verhältnisse im Grunde umsonst zu arbeiten. Allen selbst zeigt den Schauspielern erst während der Dreharbeiten das Drehbuch; seinen Geldgebern sagt er nicht einmal, worum es in den Filmen gehen soll. Maximale künstlerische Freiheit, die Allen ein klein wenig zu Kopf steigt.

Er versucht sich an ernsten Stoffen, angelehnt an das große Vorbild Ingmar Bergman, und treibt damit seine Produzenten in die Insolvenz. Gleichzeitig sorgt ein sehr hässlicher Rosenkrieg mit seiner langjährigen Lebensgefährtin und Filmpartnerin Mia Farrow für verheerende Schlagzeilen. Allen brennt mit Farrows junger Adoptivtochter durch, was das Image ein wenig ramponiert. Sein Ausweg: weiterarbeiten. Er liefert nun wieder niveauvolle Komödien, darunter sehr hübsche Werke wie „Bullets over Broadway“. Es gelingen ihm auch noch ein paar große Würfe, etwa der zutiefst philosophische „Deconstructing Harry“ oder der rabenschwarze „Ich sehe den Mann deiner Träume“.

Mit zunehmendem Alter freilich dreht er gediegenes Programmkino für pensionierte Studienräte und frönt privat seinem Kulturpessimismus. Dass er sich nun aufgrund alter, unbewiesener Missbrauchsvorwürfe seiner Ex-Frau Mia Farrow plötzlich im Strudel der #MeToo-Debatte befindet, obwohl keine Schauspielerin in all den Jahrzehnten je etwas in der Richtung auch nur angedeutet hat, findet er fast schon wieder komisch, wenn es ihn nicht so empören würde. „Unordnung und spätes Leid“ könnte man Allens Leben übertiteln, wenn der größte kleine Mann der Welt heute seinen 85. Geburtstag feiert. Aber er wollte ja erklärtermaßen ohnehin nie in den Herzen seiner Zuschauer weiterleben, sondern in seiner Wohnung, wie er einmal launig erklärt hat.

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