Manchmal muss man die Schichten Stück für Stück abtragen, die sich überlagern und das Eigentliche verdecken. Die verzerrende Oberfläche bröckelt, bekommt Risse. Und was – so vorsichtig freigesetzt – hervortritt, eröffnet neue Perspektiven. Selina ist Restauratorin, weil es für eine Künstlerkarriere nicht gereicht hat. „Sie muss ein Bild wegmalen und ein anderes hermalen“, bringt es ihr Sohn Silas, Ergebnis einer ungeplanten Liebesnacht, auf den Punkt. Als Selina in einem Kloster ein spektakuläres mittelalterliches Gemälde freilegt, sprengt dieses auch die Fassade, die sie über ihr eigenes Leben gekleistert hat. Christa Ludwigs Roman lässt Zusammenhänge – wie beim Restaurieren – nach und nach ersichtlich werden. Was entsteht, ist ein kleines Kunstwerk. mbl