Eigentlich wollte Frank-Markus Barwasser seit Oktober mit seinem neuen Liveprogramm „Der wunde Punkt“ auf Deutschlands Bühnen stehen. Aber wie bei so vielen Plänen in diesem Jahr ist es auch für den unterfränkischen Kabarettisten und für sein Kult-Trio Erwin Pelzig, Hartmut und Dr. Göbel beim „eigentlich“ geblieben. Barwasser hat vorsorglich bis Ende März 2021 alle Vorstellungen abgesagt.
Wie kommen Sie mit Corona klar?
Nach meiner letzten Vorstellung am 8. März in Putzbrunn habe ich geahnt, dass es eine längere Zwangspause werden würde. Ich habe von Anfang an versucht, mich darauf einzustellen. Aber es ist natürlich sehr bedrückend zu sehen, wie viele Nöte und Existenzängste diese Pandemie verursacht hat und wie viele sie nicht überleben oder nur gesundheitlich schwer gezeichnet davonkommen. Von denen ist ja recht wenig die Rede. Es hat keinen Sinn, auf das Virus wütend zu sein. Wenn ich an die vielen guten Jahre denke, die hinter mir liegen, empfinde ich eher so etwas wie, Achtung, jetzt kommt ein großes Wort: Demut.
Viele Ihrer Kollegen haben zwischenzeitlich wieder vor kleinem Publikum gespielt. Sie haben dagegen sehr weit im Voraus alles abgesagt oder verschoben.
Ich wollte das neue Programm im Frühjahr schreiben und in diesem Herbst sollte Premiere sein. Aber da die Kitas geschlossen bleiben mussten, habe ich gut drei Monate mit meinem vierjährigen Sohn zu Hause verbracht. Wir hatten wirklich eine gute Zeit miteinander. Alles andere blieb auf der Strecke oder hat sich eben verschoben.
Hätten Sie nicht vor 100, 150 Leuten auftreten können?
Die Bühne fehlt mir sehr, und unsereiner fehlt auch den Bühnen, die ums Überleben kämpfen müssen. Sobald ich mit dem neuen Programm starten kann, wäre das schon eine Option. Aber an so einem Abend bin ja nicht nur ich beteiligt. Es gibt viele andere Mitwirkende, zum Beispiel bei Technik, Licht oder Einlass. Und natürlich das Publikum. Da sehe ich doch eine gewisse Verantwortung. Das alles ist abzuwägen.
Sie wollen also vermeiden, dass Pelzig zum „Superspreader“ wird?
Ich nehme das Virus ernst, und das macht wohl jeder, der Covid-19-Erkrankte kennt oder selbst davon betroffen war. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, was Leute antreibt, die auf Transparenten das „Ende der Pandemie“ ausrufen. Was proklamieren die bald noch? Ende des Klimawandels? Ende von Mieterhöhungen und Lippenherpes?
Haben Sie Verständnis für die Maßnahmen der Politik?
Nicht alle Regelungen und Details sind immer logisch. Aber grundsätzlich verstehe ich, dass eine Pandemie ziemlich einschneidende Maßnahmen erfordert. Vielleicht wird sich in der Rückschau herausstellen, dass manche nicht sinnvoll oder angemessen waren und andere zu lasch. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass wir so schlecht vorbereitet waren. Man denke nur an das Hin und Her mit den Masken. Dabei ist genau ein solches Szenario in einer Risikoanalyse vor sieben Jahren beschrieben worden. Die lag der Regierung und dem Parlament vor. Ich finde es auch richtig, wenn über die Rolle des Parlaments diskutiert wird. Da sollte bitteschön eine seriöse Auseinandersetzung stattfinden, wenn es um weitreichende Einschränkungen der Grundrechte geht.
Können Sie Argumente der Corona-Skeptiker ansatzweise nachvollziehen?
Ich habe nichts gegen Skeptizismus, er gehört zu meinem Berufsbild. Allerdings haben wir inzwischen nicht nur 80 Millionen Bundestrainer, sondern auch 80 Millionen Virologen im Land. Was da von sogenannten Skeptikern oder Leugnern verbreitet wird, ist haarsträubend und manchmal kriminell. An all diesen Merkwürdigkeiten ist ja nicht das Virus schuld. Das explosive Stimmungsgemisch war vorher in der Luft, Corona hat’s nur angezündet. Corona legt so vieles gnadenlos frei: das Problem der Schlachthöfe, die Situation der Alleinerziehenden, Schwächen des Bildungssystems, die Abhängigkeit von globalen Lieferketten. Das und noch viel mehr fliegt uns jetzt um die Ohren.
Haben Sie Verständnis, wie die Politik mit Kunst und Kultur umgeht?
Kunst und Kultur sind, was die Vertretung ihrer Interessen angeht, nicht sehr zentral organisiert. Die Interessenslagen sind ja auch höchst unterschiedlich und Kunstschaffende häufig Einzelkämpfer. Dennoch ist es gelungen, der Politik eine gewisse Lernkurve aufzuzwingen. Wenn Lockerungen im Theaterbetrieb aufgrund der Zahlen nicht möglich sind, müssen gerade freie Bühnen gestützt werden und die Kunstschaffenden ebenso. Bei der Lufthansa ging’s schneller.
Wann rechnen Sie wieder mit einer normalen Situation – mit Pelzig im vollen Lustspielhaus?
Ich versuche, möglichst viele Termine in den Sommer zu legen, wo ich hoffentlich unter freiem Himmel auftreten kann. Ich war nie ein Freund von Open-Air-Auftritten, weil alles unter dem Vorbehalt steht, dass es nicht stürmt, regnet oder hagelt. Vielleicht verbessern sich die Perspektiven durch den Impfstoff. Aber selbst wenn, dann rechne ich noch mit mindestens einem Jahr als Durststrecke.
Im Moment schreiben Sie am Bühnenprogramm „Der wunde Punkt“. Welchen haben Sie entdeckt?
Es wird darum gehen, was Menschen und Menschheit kränkt und ob vieles auf tiefe Kränkungen zurückzuführen ist. Pelzig versucht also wieder einmal, die Welt zu verstehen und zu erklären, mit betont psychologischem Ansatz. Anders kann man sich diesem Weltenwahnsinn sowieso nicht mehr nähern. Das Virus kränkt uns schwer, und zwar in doppelter Hinsicht: virologisch und psychologisch.
Was sagen Dr. Göbel und Hartmut zu Corona? Hat Dr. Göbel als Mediziner eine Idee, wie sich das Virus stoppen lässt? Und trägt der ewig renitente Hartmut brav Maske?
Bitte? Dr. Göbel ein Mediziner? Also bestimmt nicht. Der ist Geisteswissenschaftler und hat eher die Haltung: Ich hab’s schon immer gewusst! Endlich passt sich die Lage seiner schlechten Grundstimmung an, insofern geht’s ihm recht ordentlich. Hartmut hat sich zum krankhaften Hypochonder entwickelt. Als Trump empfahl, Desinfektionsmittel intravenös einzusetzen, kam er kurz ins Grübeln, aber wir konnten ihn telefonisch davon abhalten. Zu sich reinlassen wollte er uns jedoch auch mit Maske nicht.
Das Gespräch führte Jörg Heinrich
Auftritte
am 14. und 15. Juli 2021 sowie am 10. und 11. August 2021 beim „Eulenspiegel Flying Circus“ im Innenhof des Deutschen Museums in München;
eulenspiegel-concerts.de, pelzig.de; Telefon 089/34 49 74.